Wie Corona das & unser Reisen verändert hat

Ford Ranger mit improvisiertem „Beduinen-Zelt“: gemütlich = draußen.

Im Corona-Jahr 2020 sollte es im April nach Marokko gehen, im Mai nach Spanien; nach Nordafrika sogar als eine Art Guide für Selbstverteidigung für Reisende & Wildnispädagoge bei einer geführten Lkw-Tour von Eine Welt Reisen – entweder mit unserem Unimog oder unserem Ford Ranger (-> siehe Fortbewegungsmittel). Diese Reisegruppe hätte ich nach Querung des Erg Chegaga und des Lac Iriqi verlassen, hatte einen Abstecher nach Guelmim und vielleicht die Westsahara geplant.

Und von dort die Atlantikküste entlang nach Tanger, um ins spanische Algeciras zu übersetzen. Anschließend ein paar Tage im mir so vertrauten Sevilla, eine Übernachtung in Salamanca und dann eine Weile in Galicien bleiben. So der Plan, selbstverständlich wurde daraus nichts.

Stattdessen: Der Unimog zählt nicht mehr zu unserem Fahrzeugbestand, ist verkauft. Das ging überraschend schnell. Genauso so schnell, wie sich in einem halben Jahr Sars-Cov-2 in der Luft das (Fern-)Reisen geändert hat:

  • Weißer Wohnmobil-Wahn nunmehr in alle Richtungen! Campervans boomen, das Hashtag #vanlife hat den Mainstream erreicht, und bald werden die letzten unberührten Zipfel Europas und der Mittelmeerländer keine mehr sein. Eine Weißwareflut ergießt sich auch – besonders aus Frankreich – ins asphaltierte Marokko eines modernisierungsenergischen Königs; ein Marokko, von dem Offroad- & Wüstenveteranen schon vor Jahren sagten, das es bald zugeteert sei.
  • Warum: Weil die Corona-Einschränkungen dazu führen, dass Pauschalreisen-Bucher glauben, im Wohnmobil seien sie ungebunden von Buchungen & Reservierungen (Trugschluss!) und können den Hygieneregeln im Fahrzeug (Sanitär-, Koch-, Wohn- und Schlafraum unter Kontrolle) besser folgen. <viel Spaß beim Kuschelcampen auf den überfüllten Campingplätzen!>
  • Folge: Volle Campingplätze und daraus entstehendes vermehrtes Wildcampen samt damit verbundenem Wandern in freier Natur. Wandervolk ohne Naturverständnis überall (ein Beispiel aus der taz: „Alpengeister, die ich rief“…). Das wird zu mehr Einschränkungen und Reglementierungen führen. In Portugal, in den vergangenen Jahren Hochburg des „Laissez-faire“ gegenüber Wildcampern und Freistehern, ist’s genau damit vorbei: Die GNR kennt meist keinen Spaß mehr.
  • Weiterhin: Fernreisende (aus Europa) sind nicht mehr willkommen: Sie sind potenzielle Träger des Virus; der reiche, weiße Mann überträgt Krankheiten (Ex-Kolonialländer wissen um diese traurige Tradition). Wer vor 2020 willkommen wurde, wird misstrauisch beäugt, distanziert behandelt, im Extremfall weggejagt.
  • Schließlich: Die Reise-Routiniers auf vier Rädern leiten die Gegen-Bewegung ein. Freiheitsliebende Lkw-Nomaden kaufen günstige Grundstücke, mir allein persönlich bekannt 2x Portugal, 1x BRD. Corona hat die, die zuvor den unendlich freien Lifestyle auf vier Räder propagiert haben, darüber belehrt, wie fragil ihre Situation ist (-> siehe Textserie Freiheit & Nomadentum) und – schwupps – schon erwarben die ersten Grund in Portugal: Land & Haus waren auf einmal kein Ballast mehr, der am freien Leben in der wilden Natur hindert, sondern ein Ort, von dem man nicht vertrieben werden kann. Eine wichtige Erfahrung, die das Reisen ändert: Wichtig ist, einen oder mehrere „Stützpunkte“, neudeutsch home bases, zu haben.
Größenvergleich Unimog – Ranger

Unsere Reaktion auf diese Situation hat ihren Ursprung vor Februar 2020, hat aber offensichtlich das richtige Timing: Es steht ein 110er Defender (-> siehe Fortbewegungsmittel) in Südafrika und erschließt uns Namibia, Botswana und Zimbabwe, vielleicht auch Mozambique und Angola; es gibt einen Ford Ranger (-> siehe Fortbewegungsmittel), der uns flexibel und schnell bei 12 l/100km von Nordeuropa bis Nordafrika mitnimmt, vom Nordkap bis Nouakchott. Und danach, wenn überhaupt: eher Panamericana oder Australien, auch der Sprachen wegen. In beiden Fällen ist ein Lkw eher schwierig (passt nicht in Container, steht offen auf Deck im Salzwind, man muss die Schlüssel abgeben; in Australien nahezu unmöglich wegen Einfuhrbedingungen); die Seidenstraße hat uns nie interessiert; China ist ein No-go.

Wie in Freiheit & Nomadentum erzählt, bindet ein Lkw sehr viel Energie und Geld. Für mich fühlt sich das Reisen mit einem kleinen Geländefahrzeug trotz der beträchtlichen Platz- und damit Wohnkomfortverluste deutlich besser ein. Es hat die Erfahrung mit dem Unimog gebraucht, um zu lernen: Ich mag das kleine, geschmeidige, flexible lieber. Unimog, das heißt: Bei 75 km/h Höchstgeschwindigkeit und 22 l/100km kann man mittendrin nicht einfach es sich anders überlegen und umschwenken, nachdem man bereits 100 km in die verkehrte Richtung gefahren ist.

Letztlich bin ich wehmütig, aber auch froh, ihn los zu sein.

Ford Ranger in der Camargue

Im Juli sind wir mit dem Ford Ranger über die Pyrenäen quer durch die nordspanischen Provinzen gen Galicien gefahren, stoppten für eine Stippvisite in Bardenas Reales und tuckerten dann auf Landstraßen gen Ourense. Ein Aufenthalt in den montanas entlang der galicisch-portugiesischen Grenzregion folgte, bevor es entlang von kantabrischer Küste & Gebirge wieder zurückging.

Die Corona-Restriktionen sorgten dafür, dass wir zwei Zwischenziele nicht ansteuern konnten: Die entsprechenden Regionen waren gesperrt, d.h., wir wären vielleicht rein, aber nicht mehr raus gekommen. Das wollten wir nicht riskieren. Und so glich die Rückfahrt zwar keiner Flucht vor einer herannahenden Virus-Welle, aber dennoch verlief sie nicht wirklich entspannt; zumal wir wieder einmal ein Pannen-Problem hatten – mit der linken Vorderbremse des Ranger, die heißlief.

Übernachtung vor ehemaligen Wohnhöhlen außerhalb von Bardenas Reales.

Was uns allerdings nicht davon abhielt, den Rückweg über die französische Mittelmeerküste zu legen und einen Bade-Stopp am Rand der Camargue einzulegen. Um die bis nach Hause verbleibenden mehr als 1000 km in einem Rutsch von morgen bis abends entspannt abzureiten. Der Ranger macht’s möglich; mit dem Unimog wäre das unmöglich gewesen – wir wären zwei Tage unterwegs gewesen.

Was aber auch bedeutet: Wir haben einen Tag am Meer gewonnen.

Stichwort Meer: Das kann man auch vor der Haustür haben. Z.B. die Nordsee, mit dem Zug zu erreichen. Bevor wir nach Spanien aufbrachen, gönnten wir uns eine Übernachtung an Bord der Cap San Diego, einem fahrtüchtigen Museumsschiff, das im Hamburger Hafen liegt. Ich habe ein Faible für Schiffe – und bin schon mit einem Segelschiff und einer Segelyacht im Mittelmeer unterwegs gewesen.

Wir waren in der Antarktis kayaken und in Hawai’i stand-up paddeln… deswegen zählen Kayak und SUP auch zu unseren Fortbewegungsmitteln, wegen unserer Passion fürs Wasser heißt dieses Blog schließlich „Das Amphibium – Reisen zu Land / Wasser / Luft“. Vielleicht bringt Corona für uns mit sich, den Wasserfahrzeugen gegenüber den Landfahrzeugen wieder mehr Raum zu verschaffen.