Maskenpflicht als Tugend des „Gray Man“

Always train in a position of disadvantage, lautet eine der grundlegenden Maximen des Krav Maga. Denn: Krav Maga ist eine Über-Lebens-Technik, keine Fitness-Methode. Also kann man aus der derzeitigen Not – Maskenpflicht und Abstandsgebot aufgrund der Corona-Auflagen – eine Tugend und daraus eine Art „Gray Man“-Training machen.

Wenn man Krav Maga als etwas trainiert, dass einem nicht nur in einer unmittelbaren Konfrontation mit einem gewalttätigen Gegner in der Nahdistanz hilft, sondern über die Kampf-hinaus als Katastrophen-Bewältigungs-Technik wahrnimmt – dann kann man das Training mit Halstüchern & Masken vor Mund & Nase dahingehend interpretieren, unter Rauch- und Qualmentwicklung durch Brand (ausgelöst durch einen Anschlag?) oder aufgrund der Einwirkung von CN-/CS-Gas, Pfefferspray u.ä. agieren zu müssen.

Im Tohuwabohu verliert man leicht den Überblick

Abwegig? Ein Notarzt, der bei uns im Krav Maga Center trainierte und den es in die Ukraine verschlug, weiß zu berichten, dass ihm das KM-Training sehr bei den Auseinandersetzungen rund um den Maidan-Platz (ich empfehle eine schnelle Bildersuche) geholfen habe (und damit meinte er nicht den Nahkampf-Aspekt).

Die Ukraine liegt fern? Aktuell kann man feststellen, dass es viele Demonstrationen für dieses oder gegen jenes gibt, in die man gewollt oder ungewollt geraten kann, und die völlig aus dem Ruder laufen. Freund und Feind sind dabei oft nicht klar auseinanderzuhalten, und auch die Polizei verliert nicht selten den Überblick. Wohl dem, dem es gelingt, nicht zwischen die Fronten zu geraten.

Every Day Carry-Utensilien

Wer einmal in die CS-Gas & Pfefferspray geschwängerten Schwaden im Zuge einer Demonstration geraten ist, weiß, wovon ich rede. Wir haben uns einmal den Spaß gemacht, in unserer früheren Halle CS-Gas- & Pfefferspraypatronen zu verschiessen und dann in dem Dunst zu trainieren – seitdem ist klar, dass in den EDC-Kit des Urban Survival nicht nur ein dichtes Halstuch, sondern auch ein einfache Schwimmbrille gehört. (EDC = Every Day Carry – Rucksack oder Tasche mit den Dingen des normalen Lebensalltags, angereichert um das minimalistische Survival Equipment, das einem hilft, in einer aufständischen oder katastrophischen, eskalierenden Situation innerhalb eines oder zweier Tage nach Hause zu kommen).

Mich persönlich beunruhigt die derzeitige politische und soziale Entwicklung durchaus; es steht zu fürchten, dass die Dinge sich zum Schlechteren entwickeln und Kräfte immer stärker werden, die Staat & Gesellschaft der Bundesrepublik desintegrieren wollen. Daher gilt, was Deutschlands erste weibliche KM-Instructorin Beate einmal in einem FAZ-Interview sagte: „Nicht paranoid, aber wachsam,“ zu sein. Kurzum, zum Street Survival gehört mehr als Kicking & Punching… Wer Scanning & Moving je ernstzunehmend trainiert hat, weiß ja, dass Vorsorge wichtiger ist als Nachsorge (wenn es zu spät ist).

Nicht auffallen heißt, nicht reinzufallen

Dazu gehört, nicht aufzufallen. Im US-Prepper-Jargon spricht man vom „Gray Man“-Konzept. Wenn viele Menschen auf der Straße in Aufruhr oder Aufregung unterwegs sind, ist es am besten nicht hervorzustechen. „City Camo“ besteht gerade nicht in Tarnfleck, egal welcher Art, sondern in unauffälligen, farbneutralen, dezenten Alltags-Klamotten; und der EDC-Bag sollte kein Militärrucksack sein, sondern am besten das nächstbeste billige Kaufhaus- oder sonstwie schäbige Modell – das, wonach sich niemand umdreht, was niemand haben will, was niemandem eine Warnung übermittelt, worin niemand etwas Wertvolles vermutet.

Je besser Skills und Ausrüstungsbestandteile sind, desto weniger sollte das die andere Seite ahnen: „Blending in“ lautet die Devise – seht wie ein Schaf unter Schafen aus, nicht wie ein Wolf.Daher schärft euren Blick für und schärft euren Umgang mit Common Objects. In Zeiten von Unruhen und damit einhergehender größerer Kontrolldichte ist es noch weniger sinnvoll als ohnehin, mit Waffen, waffenähnlichen oder von der Polizei als gefährlich erachteten Gegenständen durch die Gegend zu laufen. (Wer frühzeitig ins Common Objects-Training investiert, spart übrigens Zeit im Alter, wenn Kraft etc. nachlassen – ein stabiler Spazierstock mit Metallspitze und Krückengriff etwa ist ein formidables SV-Mittel!)

Common Objects & Situational Awareness

Den Blick dafür zu schärfen, heißt, mal seine übliche und unmittelbare Umgebung darauf zu prüfen, was sich an Gegenständen in der Nähe befindet, die dem Blockieren & Parieren bzw. dem Zuschlagen oder Zustechen oder Werfen oder Sprühen (Feuerlöscher) dienen könnten… Und den Umgang mit Shield Type-, Club Type-, Sharp, Small Objects & Aerosols zu üben wie jede andere Technik auch. Erst jüngst habe ich wieder einmal ein kleines Sammelsurium an Common Objects unbeanstandet durch die Sicherheitskontrollen des Frankfurter Flughafens gelotst…

Was auch zum erweiterten KM-Training gehört, ist das, was man im Militärjargon „situational awareness“ nennt – das intensive und genaue Beobachten der Umgebung auf Besonderheiten, Auffälligkeiten, Abweichungen von der Norm, hilfreich-förderlichen wie hinderlichen Bedingungen, Wahrnehmen von Fluchtwegen und Notausgängen, Sackgassen etc. Wir haben das früher (wie heute) gezielt und intensiv in den „Mind Fitness for Fighters“-Workshops geübt, unter der Rubrik der Wahrnehmungsschulung; dazu gehört u.a. der nicht fixierende, vorbeigleitende Panorama-Blick.

Orientierung ohne GPS und Mobilfunk

Im engen Zusammenhang mit Situational Awareness steht die Schulung des Orientierungssinnes und damit verbunden der Offline-Navigation. Back to the roots – man sollte sich orientieren und navigieren lernen, wie es unsere Vorfahren taten: Ohne elektrisch-elektronische Hilfsmittel (offensichtliche Nachteile liegen in technischer Fehleranfälligkeit, Akku/Batterie, Störimpulse, GPS kann von den US-Behörden abgeschaltet werden etc.) nur mit den Sinnen und ggfls. einer Papierkarte – auch eine Lehre aus meinen Reisen in Wüste & Wildnis fernab der Zivilisation!


(Was wir dabei auch gelernt haben, ist der Umgang mit PMR-Walkie-Talkies – bei einem major disaster wird das Mobilfunknetz schnell zusammenbrechen. Gut also, wenn man zumindest auf einige hundert Meter bis wenige Kilometer rund ums Haus o.ä. mobilfunkunabhängig kommunizieren kann; z.B. wenn ein Familienangehöriger rausgeht, um die Lage zu erkunden).

Kenntnis der eigenen Umgebung

Geht eure Standardwege zu Fuß ab oder nehmt ein Fahrrad und lernt sie besser kennen als bisher. Plant und memoriert einige Not- und Fluchtwege für den Fall, dass es entlang eurer Standardumgebung und -wege zu Gewaltausbrüchen kommen sollte. Bei einer Straßenschlacht zwischen Polizei und gewalttätigen Demonstranten sind Lage & Entwicklung sehr dynamisch, oft völlig unklar und unberechenbar. Sich darauf vorzubereiten, so gut es geht, ist auch KM-Training!

Es ist ratsam, nicht zu nah an Hauswänden und nicht zu nah am Straßenrand zu gehen. Mit einem Meter Abstand zu den Wänden könnt ihr halbwegs rechtzeitig jemanden wahrnehmen, der sich einem Hauseingang versteckt hat oder aus einem Fenster springt. Mit wenigstens einem Meter Abstand zur Straße, zum U-Bahn-Schacht gibt es eine Chance, einem Schubser noch ausweichen zu können.

Angreifer = Aggression => Verteidiger = Vorbereitung

(BTW: Weder die Ordnungskräfte noch gewalttätige Protestierer mögen es, fotografiert und gefilmt zu werden und potenziell auf Youtube oder Facebook wiederzufinden – also Finger weg vom Fotohandy! Sonst zieht man garantiert absolut unerwünschte Aufmerksamkeit auf sich).

Übt dieses „Gray Man“-Training aktiv – nur was der Körper sich durch wiederholte Übung merkt, ruft er unter Stress ab; das Gehirn vergisst unter Stress sofort alles, was es nur theoretisch aufgenommen hat. Deswegen haben wir ja im KM die ganzen Stress-Drills – und das Prinzip gilt für jede andere Übung in diesem Kontext auch.


Fundraising & Donoring:
Für unsere wöchentlichen Seminartrainings, die ein- oder zweitägigen Workshops zur „Achtsamkeit in der Wildnis“, sowie „eatless.meditatemore.runbarefoot“ erheben wir keine Gebühren, sondern bitten im Sinne des buddhistischen „dana“ um eine angemessene Spende zur Unkostendeckung, für ein Abendessen für die Instructors sowie zugunsten der Wildtier- & Naturschutzorganisation IAPF.