Namibia III/IV: Kanaan Na’an Ku’se Desert Retreat

Es fällt schwer, von Landsberg wegzufahren, aber es muss ja immerweitergehen. Wir unterhalten uns noch mit der jungen Frau der Farm über die Lebens- und Arbeitsbedingungen vor Ort und die Konkurrenz der Brüder-Farmen untereinander… Und natürlich über Kriminalität (die es kaum gibt): Eine dieser tapferen Rund-um-die-Welt-Radler:innen wurde vor Jahren überfallen, aber der Täter war schnell gestellt. Was man leicht vergisst, ist, dass es in Gegenden wie dieser und ähnlichen nur sehr wenige Wege gibt – und von denen ist klar, wo sie hinführen oder herkommen.

Querfeldein kommt man zu Fuß (oder mit welchem Fahrzeug auch immer) nicht weit. Bzw. nicht schnell vorwärts. Man ist anhand der aufgewirbelten Sand-/Staubfahnen meilenweit wahrzunehmen. Für einen Räuber sind dies schlechte Bedingungen zum Entkommen; obendrein kennt jeder jeden und jede. Da fällt schnell auf, wer was ausgefressen haben könnte; auch, wer auf einmal ungewöhnlich viel Geld ausgibt oder mit neuen Besitztümern herumhantiert. Ergo: Kriminelle Attacken finden da statt, wo es – größere – Ansiedlungen gibt, in denen man untertauchen kann.

Wegelagerei an Schotterpisten

Ich werde auf Partys nicht selten gefragt, ob das nicht gefährlich sei, so alleine auf abgelegenen Pisten unterwegs zu sein. Die Antwort lautet (natürlich): nein. Zum einen aufgrund des vorstehend Beschriebenen, zum anderen weil auch Räuber ökonomisch denken. Wie lange würdet ihr an einer staubigen Schotterpiste im Nirgendwo liegen, an der bestenfalls alle paar Stunden, wenn nicht Tage, jemand mit 80 bis 100 km/h vorbeibrettert? Und davon sind 80 Prozent Farmarbeiter, die jedes auf die Piste gerollte Hindernis beiseite schieben. Und wieviele Tage will man auf die Panne eines Touristen-Fahrzeugs warten, um es dann überfallen zu können?

Solcherlei Wegelagerei ist also sehr uneffektiv hinsichtlich des Verhältnisse von Aufwand zu Ergebnis; daher finden Überfälle überwiegend nahe an oder in Ansiedlungen statt. Bzw. in Städten, wo arm und reich direkt aufeinanderprallen. Und natürlich gilt wie immer und überall: shit happens. Gegen zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein gibt es keine Gegenmaßnahme. Auch nicht, wenn man jahrelang von Israelis in Krav Maga trainiert wurde.

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Wir fahren zum Halbwüstennichts des Kanaan Na’An Ku’se Desert Retreats, das seinem Namen alle Ehre macht. Hier könnte man so eine modisch gewordene vulnerable_Wüstensöhne– bzw. Männer-auf_dem_Weg_zu_sich-Veranstaltung machen… Das wäre mit dem Programm von roninkravmaga nach dem Motto „hart & herzlich“ machbar. ;-) = „Männer, die unter Akazien weinen“. Achtsamkeit in der Wildnis halt. Allerdings belehrt uns die junge Empfangsdame darüber, dass in diesem Retreat keine spirituellen events laufen: Die umgebende Halbwüste muss alleine für die Ehrfurcht vor der Schöpfung sorgen.

Kanaan liegt satte 500 Höhenmeter niedriger als die Farm Landsberg, ist aber a vast open plain… Dabei liegt es nur 30 Kilometer weiter: Ein Katzensprung, und schon merkt man: So fühlt sich der Unterschied zwischen Trockensavanne und Halbwüste an! Bäume und Sträucher werden geringer und kleiner, schließlich bleibt nur noch sandiges, steiniges Grasland. Und die Widerstandskraft und Zähigkeit dieses borstigen Gestrüpps in semi-arider Umgebung gibt immer wieder Anlass zu Bewunderung – so sieht Resilienz aus!

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Das gilt ebenso für die Tiere, die in dieser Umgebung überleben. Spezialisten etwa wie die Oryx-Antilopen, die längere Zeit ohne Wasser auskommen und ihre Körpertemperatur weit über die säugetiertypische von 38 Grad ansteigen lassen können – bis zu 45 Grad. (Wie sie das machen, erklärt u.a. die Wikipedia… )

Von unserem Campspot aus sehen wir eine Oryx-Kuh und ihren Nachwuchs, die wir flugs Hanni & Nanni taufen. Wie tapfer Hanni ist! Sie hat nur noch eines ihrer spießartigen Hörner. Mit denen sind Gemsbokke recht wehrhaft – manch durchbohrte Raubkatze hat das – zu spät – merken müssen. Sie umkreisen das Na’an Ku’se Desert Retreat grasend und immer wieder ruhend im weiten Bogen; und dann sind da noch die Drei von der Tankstelle, …nein, Wasserstelle. Letztere liegt vor den Cottages, weitab von der Campsite.

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Als ausgebildete Wildlife Tracker beobachten wir die Oryxe hingerissen. Ich mache mich zu Fuß auf den Weg zu ein paar Akazien-Bäumen, deren Schattenwurf in der Sommer-Sonne für viele Tiere attraktiv ist. Spuren zu lesen bedeutet mehr als Fährten zu lesen, denn Trittsiegel sind nur ein Zeichen von vielen: Das Wichtigste sind Hinterlassenschaften – also Kacke. Merke: Wildlife Tracker & Wildnispädagogen sieht man häufig in Kot herumstochern.

Auf einem Hügel unter einer Akazie mache ich gerade genau das, als Hanni & Nanni, von der anderen Seite kommend, unversehens auftauchen: Da gucken alle verblüfft! Einer der fantastischsten Sonnenuntergänge aller Zeiten folgt. Mit pur psychedelischen Farben in dräuenden Wolken am glühenden Himmel…

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Am nächsten Tag laufen wir zum Rezeptionsgebäude zurück und von dort zur höher gelegenen Restaurantbar mit weitem, weiten Blick über die Cottages gen Horizont. Eine Cola, please! Voll ungesund, aber seit den Fahrten in der marokkanischen Sahara wissen wir: Manchmal muss es Cola sein. Und im Anschluss ein Savannah Light, das Lieblingsgetränk (ein Apfel Cider mit geringem Alkoholgehalt). Bei 42 Grad im Schatten eine Wohltat…

Kanaan Na’an Ku’se lebt aber nicht von robusten Leuten wie uns, sondern von den anderen Touristen – etwa denen, die eben gerade per Flugzeug eintreffen. Ein Schauspiel, das wir uns von erhöhter Warte auf einem umliegenden Hügel in praller Sonne stehend nicht entgehen lassen: Ein Safari-Fahrzeug, voll mit Rollkoffern, gefolgt von einem weiteren, voll mit weißen Rollmöpsen, fährt an Restaurantbar & Cottages vor.

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Manche/r fällt eher als steigt aus dem umgebauten Land Cruiser und dann geben die schwarzen Bediensteten das, was die Ankommenden erwarten: Ein fröhliches Willkommen-Liedlein singend in die Hände klatschen und mit dem runden Popo wackeln. Ja, so sind sie, die Afrikaner! Gerhard Polt lässt grüßen; aber für die junge, intelligente Rezeptionistin ist das der Einstieg in eine – relativ – sichere Jobwelt, die aus ihr vielleicht noch eine Rangerfrau bzw. Guide werden lässt.

Und auch für die anderen Arbeiter des Retreats gilt vermutlich: Einen besseren Job werden sie in ihrem Leben kaum bekommen, auch wenn er fern der Heimat ist und zwei oder drei Wochen Vollschicht bei einer Woche Urlaub zuhause bedeutet. Da kann man den gut zahlenden Weißen schon mal den Bimbo machen.

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Die Flugzeugtouristen eilen in den Schatten und nach der alkoholgeladenen Begrüßung erst mal zur Pause aufs Zimmer, während wir den Rückweg auf einem Felspfad mit Köcherbäumen in der Mittagshitze antreten – in einiger Entfernung parallel zu den Dreien von der Wasserstelle (das Wasserloch ist unterhalb der Cottages eingerichtet).

Sie gucken immer wieder misstrauisch zu uns Zweibeinern rüber… aber hey, keine Bange, ihr seid so schön, wir lieben euch und würden euch niemals essen! Wir drücken uns teilweise in den heißen Sand, um unsere menschliche Silhouette zu verbergen. Die Hitze jagt Flimmerschwaden über den Sand, aber hier draußen mit den Oryxen gehen zu dürfen ist so viel mehr wert als im klimatisierten Dunkel der Cottages liegen zu können.