Schüttelei in der Steinwüste

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In Filmen wie “Der Englische Patient” sieht man endlose Sandwüsten und gewaltige Dünenkämme, doch Tatsache ist, dass die meisten Wüsten der Welt aus Stein und Geröll bestehen. Das gilt für Marokko besonders, das gerade mal einen kleinen Sahara-Ausläufer abgekriegt hat, wenn man den Teil abzieht, der früher Spanisch-Sahara hieß und von Marokko nach gängigem Völkerrecht widerrechtlich annektiert wurde (unter dem Sand liegen Bodenschätze, genauer: Phosphat). Marokkos Nachbarn wie Algerien, Mauretanien und Mali verfügen viel mehr Sand & Sahara.

Wir haben uns heute auf schier endlosen Geröllpisten gen Süden geschüttelt, während sich immer mehr kleinere Fahrzeugteile wie die Positionslampen des Wohnkoffers davon vibrieren oder den rauhen Kontakt mit am Pistenrand stehenden Akazien und Tamarisken nicht überstehen. Manch Mitfahrer steht traurig vor seinem frisch lackierten Aufbau, dem die kräftigen Zweige und Dornen der widerstandsfähigen Wüstengewächse feine Strichmuster eingearbeitet haben. Uns egal – unser Unimog ist schon im vergangenen Jahr dieser Prozedur unterzogen worden.

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Das Häuflein an Schrauben und Unterlegscheiben, dass wir in Fahrerhaus und Wohnkabine entdecken – ohne genau zuordnen zu können, von wo sie sich entfernt haben – wächst. Eigentlich gelingt es nur selten, das Optimum an Geschwindigkeit, Lenken, Bremsen und Schalten entlang von wechselnder Bodenbeschaffenheit, Schlaglöchern, Senken, Anstiegen, Kurven inmitten all der runden und scharfkantigen Steine und Felsen beherzt zu erzielen. Immer gewahr, dass ein zu heftiger Kontakt uns einen weiteren Reifen kosten können – und wir haben unseren einzigen Ersatzreifen ja bereits verbraucht.

Auch stöhnen und knarzen Achsen, Wellen, Federn, Dämpfer, Lager, Buchsen unter der andauernden Rüttelei, den Schlägen und Stößen; es ist nicht ganz klar, wer mehr darunter leidet – Mensch oder Maschine?

Fahrphysik und Fahrzeugteile

Das Fahrzeug soll durch all die Unwegbarkeiten und Unabwägbarkeiten locker durchschwingen und nicht gestaucht werden – dazu können unsere Tourguides prima Grafiken zur Fahrphysik von gefederten und ungefederten Fahrzeugteilen aufmalen. Automatisch überträgt sich die theoretische Erkenntnis nicht in die Hände und Füße, die manchmal sehr schnell und entschlussfreudig in der richtigen Reihenfolge Lenkung, Schalthebel, Gaspedal, Bremse und Kupplung bedienen müssen – zumal wir einen ziemlichen Zahn zulegen (müssen), um unser Tagesziel zu erreichen.

Bei den Pausen entdecken wir im Wohnkoffer umher(f)liegende Bestandteile unseres Geschirrs und sonstigen Inventars, nicht immer in unversehrtem Zustand. André fährt flott vorneweg, was ihm aber eine gebrochene Strebe an seinem Schwingsitz im IFA-Fahrerhaus und eine Reparatur im Örtchen Tazarine einbringt, wo ein kleines, kaum besuchtes Festival uns ein wenig Kurzweil während des Wartens vermittelt.

Theoriearbeit und praktische Umsetzung

Mitten in der Geröllwüste suchen unsere Tourguides dann eine passende Stelle mit einer Senke und großen Steinen, um noch eine konzentrierte Trainingseinheit mit langsamem Durchfahren von besonders schwierigen Situationen einzuschieben. Die umfasst auch das harmonische Zusammenspiel zwischen Fahrer und Einweiser außen. Aus unserem Krav Maga-Training wissen wir natürlich: Was man in einer realitätsnah simulierten Situation geübt hat, fällt einem im tatsächlichen Notfalle viel leichter.

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Ein wenig weiter noch an diesem Tag, um festzustellen, dass der geplante Übernachtungsplatz mittlerweile weggebaggert worden ist. Darauf hin parken wir im Niemandsland am Pistenrand, wo ein böiger Wind um die Fahrzeuge heult und sie zum Wanken bringt wie ein Schiff auf hoher See. Weiterfahren indes würde uns nur in  die Nähe der nächsten Siedlung bringen – und dann hätten wir keine Ruhe, sondern jede Menge neugieriger Besucher. In jedem Dorf, dass wir mit unseren Konvoi passieren oder in dem wir für einen Cola-Kauf Halt machen, sind wir so etwas wie eine Zirkusattraktion.