Pueblos Abandonados V: Das entleerte Spanien

Die weitere Tour zum Castillo Sibirana verläuft unspektakulär. Danach tragen wir die Kirche einmal ums Dorf auf der Suche nach der Route zum Castillo Rotia, weil die Straße zum Ausgangspunkt Navardun gesperrt ist und wir rund 100 Kilometer hin und zurück Bergsträßchen fahren, um dann bei der dritten – LL / Pozo Pigalo – Tour dort anzufangen, wo wir zuvor vorbeigekommen waren.

Ein paar Kilometer rein, dann stehen wir vor dem – geschlossenen – Campingplatz, dem Blauen Auge Aragoniens* und bekommen Besuch von einem Drohnenflieger. Letztere gehören zu den geliebten Hassobjekten, weil sie mit dem Gebrumme und Gesumse ihrer stolz gesteuerten fliegenden Kamera nerven – besonders, wenn man die natürlichen Umgebungsgeräusche von Wind & Wasser, Tier & Pflanze hören möchte. Was man als Coyote Teacher (bzw. Wildnispädagoge) besonders gerne und ausgiebig tut.

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Dann regnet und gewittert es nächtens. Und ich denke, dass wir ganz schön auf dem Präsentierteller stehen… Am nächsten Morgen schraubt sich die Piste durch den Wald, und schließlich gelangen wir via Asphalt nach Ruesta. Diese (nicht mehr) verlassene Ort wird von jungen Menschen restauriert, die unter der Fahne der CGT – also der anarcho-syndikalistischen Gewerkschaft agieren. Auch hier also ein Wiederaneignungsprojekt, doch während Dharmaharifet spirituell daherkommt, geht es in Artieda und Rueda politisch zu.

Dererlei Engagement gerade jüngerer Menschen für ihre Heimat gibt es anscheinend häufig – in dieser wie anderen Gegenden Spaniens, erfahre ich später. Zum Teil sind diese in der Bewegung „España vaciada“ – das entleerte Spanien – organisiert; diese geht tatsächlich auf den ab den 50er und 60er Jahren einsetzenden Exodus aus dem ländlichen Spanien zurück (der mittlerweile 90 Prozent des spanischen Territoriums umfasst).

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Die Bar-Herberge in Ruesta ist gut belegt mit Jakobsweg-Wanderern und gut aufgelegten CGT-Aktivisten, die sie betreiben – offensichtlich dient sie der Finanzierung der Ruesta-Restauration. Man spricht versiert englisch, aber sie haben zu viel zu tun als dass man in ein ruhiges Gespräch über ihr Projekt und dessen Perspektiven kommen könnte.

Wir brechen zum letzten Track nach Huertalo auf, wo wir Deutsche in einem roten T3-Bus treffen, die beherzt die Piste entlang brettern. Und das ohne Allradantrieb oder Fahrwerks-Höherlegung. Beachtlich. Wir wollen dort übernachten, verlassen aber wegen sehr drohender Gewitterwolken unseren tollen solitären Standplatz am Fuße der Ruinen von Huertalo mit weitem Ausblick. Zurück also ins nicht allzu weit entfernte Artieda zum bekannten Campingplatz im Schutz des Dorfes.

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(Alle vorstehenden Bilder: Geisterdorf Huertaló)

Nach all dem wechselhaften, regnerischen Wetter zieht es uns gen Mittelmeer und bald schnurrt der Bus durch die wüste Karstlandschaft Aragons und dann Kataloniens, bis wir in Palamós ankommen und auf einem der dortigen Campingplätze Quartier beziehen – die Geländefähigkeit unseres T5-4motion bietet uns die Möglichkeit, eine abgelegene und abgesetzte Ecke anzusteuern, in die sich durchschnittliche Weißwomo-Fahrer:innen nicht trauen – und schon hat man seine Ruhe, auch unter vier Sternen. Nach so vielen Nächten im Tausendsternehotel kann man damit leben.

Am 6. Juni geht’s dann in zwei Etappen zurück, erst über französische Nationalstraßen, dann über Mautautobahnen. Unerwartet können wir auf einem Autobahn-Rastplatz sehr entspannt übernachten, weil er über einen gesonderten Womo-Teil verfügt fern von Tankstelle und Raststätte verfügt. Den finden außer uns nur ein weiterer VW Van und ein Kastenwagen. Und die Autobahn ist so weit weg, dass wir keine Fahrzeuggeräusche hören.

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Zuhause angekommen ist schon eine neue Idee geboren: Restaurationsprojekte verlassener Dörfer mit ihren alternativen und/oder kommunitären Ansätzen zu besuchen und mehr über ihre Bewohner und deren Vorstellungen von einem anderen Leben zu erfahren. Und dazu eine Tour im nächsten Jahr zu unternehmen. Davor aber stehen erst einmal zwei andere Projekte in der Warteschlange. Stay tuned.


*In Albanien gibt es das bekannte „Blaue Auge“ – eine sprudelnde Quelle in einem See. Siehe Beitrag: Abbruch in Albanien .

**Karte Bevölkerungsdichte Spaniens:

Vorhergehende Folgen:
Pueblos Abandonados I: Die Felszähne von Finestres
Pueblos Abandonados II: pasarelas y cat
Pueblos Abandonados III: Gruselorte und Graffiti
Pueblos Abandonados IV: Geier-Valley & Land-Leben