Krav Maga & MBSR, Kampf & Meditation

Krav Maga (KM) und Mindfulness Based Stress Reduction (MBSR) sind zwei Kehrseiten einer Medaille – auf der einen Seite geht es um Kampf, Aggressivität, Aktivität, Hochspannung, intensive Reize, extrovertiertes Verhalten, auf der anderen Seite Ruhe, Stille, Spannungsabbau, waches Nachspüren, introvertiertes Verhalten – , haben aber doch einige Gemeinsamkeiten.

MBSR wie Krav Maga sind “simple”, “easy-to-learn”, “battle-tested”, d.h. erprobt und evaluiert, und beide sind als Reaktion auf “a real need” entstanden. Im Falle von Krav Maga die Angriffe auf den Staat Israel durch feindliche Armeen nach 1948; im Falle von MBSR wurden die ersten Acht-Wochen-Kurse schon in den 70er Jahren mit Leuten abgehalten, die ohne Zweifel wirklichen Stress jenseits von Alltagsbelastungen hatten: Krebs-, Herz- und Schmerzpatienten. Leute, die existenzielle Ängste hatten, Leute, denen ihre Schmerzzustände den Alltag zum Grauen machten, Leute, die jede Hoffnung auf Besserung ihrer Lage aufgegeben hatten.

MBSR & Meditation bei den Marines

MBSR dient mittlerweile im militärischen Kontext in zweierlei Funktionen: In der Vorbereitung auf hochriskante, hochkomplexe und hochstressige Situationen, um Soldaten zu mehr innerer Ruhe, mehr Stress-Stabilität und damit zu mehr Entscheidungs- und Handlungssouveränität zu bringen. Als Beispiel dafür mag ein Artikel (Marines expanding use of meditation training) aus der “Washington Post” dienen, der über den Einsatz von Mindfulness Meditation und ähnlichen Elementen bei den US Marines berichtet. In dem Text heißt es u.a.:

While preparing for overseas deployment with the U.S. Marines late last year, Staff Sgt. Nathan Hampton participated in a series of training exercises held at Camp Pendleton, Calif., designed to make him a more effective serviceman
There were weapons qualifications. Grueling physical workouts. High-stress squad counterinsurgency drills, held in an elaborate ersatz village designed to mirror the sights, sounds and smells of a remote mountain settlement in Afghanistan.

There also were weekly meditation classes — including one in which Sgt. Hampton and his squad mates were asked to sit motionless in a chair and focus on the point of contact between their feet and the floor.
“A lot of people thought it would be a waste of time,” he said. “Why are we sitting around a classroom doing their weird meditative stuff?
“But over time, I felt more relaxed. I slept better. Physically, I noticed that I wasn’t tense all the time. It helps you think more clearly and decisively in stressful situations. There was a benefit.”
(…)

Der Artikel verweist weiter auf Hirnforschungs-Ergebnisse und beschreibt “Mind Fit”-Projekte bei den Marines, die in Untersuchungsgruppen Atemübungen, Yoga-Haltungen, Achtsamkeitsmeditation vollzogen:

Over eight weeks of 12-hour days otherwise devoted to mock firefights and exhausting field exercises, 31 Marine reservists were taught breathing exercises and yoga poses, how to focus their attention and how to prevent their minds from wandering. More than once, they could be seen outdoors, sitting cross-legged and practicing meditation. (…)

Why the cognitive boost? The answer lies in neuroscience. Previous studies have shown that habitual meditation:

• Changes the way blood and oxygen flow through the brain;
• Strengthens the neural circuits responsible for concentration and empathy;
• Shrinks the amygdala, an area of the brain that controls the fear response;
• Enlarges the hippocampus, an area of the brain that controls memory
• In a recent, incomplete study of Marines taking an M-Fit course — the one Sgt. Hampton participated in — University of California at San Diego and Navy researcher Chris Johnson took blood and saliva samples from the participating service members and used functional magnetic resonance imaging (fMRI) to scan their brains.
• According to a report in Pacific Standard, the troops recovered better from stressful training, while their brain scans showed similarities to those taken of elite Special Forces soldiers and Olympic athletes.

“Basically, there are parts of the brain that work differently in high performers,” said Robert Skidmore, director of operations for the Alexandria, Va.-based Mind Fitness Training Institute. “It’s possible to train our minds to process things differently. With eight weeks of training, working memory capacity increases.”

Andererseits dient MBSR auch der Nachbereitung von stress-intensiven Situationen bis hin zur Arbeit mit Patienten mit Posttraumatischen Belastungsstörungen (PTBS). Die dänische Regisseurin Phie Ambo hat dazu einen Dokumentarfilm über die Arbeit des bekannten Psychologie-Professor Dr. Richard Davidson mit traumatisierten Irak- und Afghanistan-Veteranen gedreht, der in diesem Jahr in die Kinos kommen wird. Einen Vorgeschmack kann man in diesem Auszug sehen, der die interessante visuelle Umsetzung von Meditation und neuroplastischen Wirkungen des Filmes veranschaulicht.

Interesse geweckt? Was hat all das mit dem Leben eines Zivilisten zu tun?

Im Sinne von Stressbewältigung ist MBSR eine praxisbewährte prophylaktische Maßnahme; im Sinne von Krav Maga ist es eine hervorragende Ergänzung zur physischen Fitness – nämliche das Pendant hinsichtlich mentaler und psychischer Fitness und Gesundheit.

Es ist falsch anzunehmen, dass MBSR nur etwas für Leute mit einem “Dachschaden” ist. Ganz im Gegenteil: Es ist ein Workout für den “brain muscle”. Und so wie wir die Muskulatur und physische Fitness mit bestimmten Übungen herausfordern und weiterentwickeln, so können wir dieses gleichermaßen mit dem Gehirn tun.

Was MBSR für den Zivilbürger mit seinem Alltagsstress in Beruf, Familie und Freizeit sein kann, haben in den vergangenen Jahren viele renommierte Medien in Deutschland erkannt und beschrieben:

Focus:
Burnout, Angst, Schmerzen – Wie Sie die Mitte Ihres Lebens wiederfinden

Frankfurter Allgemeine Zeitung:
Stress, lass nach

Welt am Sonntag:
Selbstversuch: Wie geht’s mir denn eigentlich so?

Spiegel:
Achtsamkeit: Entspannung als angenehme Nebenwirkung

Basler Zeitung
«Multitasking ist ein Fluch der heutigen Zeit»

Wer’s gerne wissenschaftlich hat:

Scientific American:
Focus on Yourself to Alleviate Social Pain