Archiv der Kategorie: Bilder-Geschichte

Namib-Küste: Das Brüllen der See-Bären

Sonnenuntergang bei Spitzkoppe
Sonnenuntergang bei Spitzkoppe

Unsere Tagesetappenplanung bringt uns nach Walvis Bay. Unklar bleibt, warum wir dort ein Chalet anstelle einer Campsite gebucht haben. Aber wir genießen es durchaus auch mal, in einem Bett zu schlafen, dem passionierten Wasser-Minimalismus unterwegs eine Dusche entgegen zu setzen, eine richtige Küche nutzen zu können und die Ausrüstung platzintensiv auszubreiten und zu checken.

Im Laderaum des Hilux geht es pragmatisch zu: Er ist mit rüttel- & schüttelfesten Plastik-Kisten und -Kästen und einer robusten Kühlbox zugestellt; dazu gesellen sich unsere robusten, weitgehend wasser- und damit halbwegs sand- und staubfesten Rollkoffer bekannter Outdoor-Ausstatter. Nach und nach überzieht alles ein feiner weißlicher Staub-Film.

Die Lebensmittelkisten werden im SPAR-Markt gefüllt (gibt’s die SPAR-Kette in Deutschland eigentlich noch?) und Papiergeld am Bankautomaten getankt. Ein Spaziergang entlang des Hafens zum Lagoon Chalet & Camping zurück offenbart prächtige Villen örtlicher Millionäre mit enormen Glasfassaden, eine alte rheinische Holzkirche sowie mehr oder weniger gelungene Versuche, holländisch-deutsche Katen-Heimeligkeit friesischen Zuschnitts am hiesigen watt-artigen Gestade des afrikanisch-atlantischen Ozeans zu etablieren.

Für einen Besuch Swakopmunds reicht die Zeit nicht. Nach einigen Kilometern langweiliger Teerstraße hat uns die Gravel Road mit ihren Staub- und Sandfahnen wieder: Es geht erst einmal zur „Moonscape“ nahe Goanikotes. Auf den Schotterpisten gibt es meist mehrere Fahrspuren, je nachdem welche wie ausgefahren oder in bretthartes Wellblech ausgeartet ist, sucht man sich den scheinbar angenehmsten Weg. Das kann auch die Spur ganz rechts sein – wo einem jemand entgegenkommen könnte; was man im Flachen von Weitem sieht. Die Fahrer anderer Fahrzeuge denken sich das natürlich auch.

Eine namibisches Institut zur Förderung von Fremdenverkehr zum Aufbau kleiner lokaler Selbstständigkeiten – in Namibia gibt es außerhalb der Städte Arbeitsplätze eigentlich nur auf den zahllosen Farmen, die das Land wie ein Flickenteppich überziehen, und im Tourismus – hat 2004 den Dienst eingestellt, aber zuvor noch einigen Rest Camps auf die Beine geholfen. Viele davon sind mittlerweile wieder eingegangen. Nicht so das Rest Camp Spitzkoppe.

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Afrika für Anfänger: Namibia in a nutshell

Abgestorbener Baum im Deadvlei bei Sesriem
Abgestorbener Baum im Deadvlei bei Sesriem

Namibia beginnt mit einer Absage. Wir sind mit Freunden in deren Haus in Südafrika zum Jahreswechsel verabredet; diese entscheiden aber zugunsten einer Tour ins ehemalige deutschkaiserliche Kolonialgebiet mit ihren drei Töchtern um. Den Schwenk vollziehen wir spontan mit: Treffen am Silvesterabend in Sesriem steht nunmehr auf dem Plan.

Unser Flieger der Air Namibia (gutes vegetarisches Essen) landet nach einem schlafarmen Nachtflug in Windhoek, eine MTC-SIM-Karte ist noch am Flughafen schnell erworben, ein Fahrer der Mietwagenfirma holt uns ab und die Übergabe (in deutsch!) verläuft zügig. Ich bin kein Dogmatiker oder Fanatiker: Auch als eingeschworener Landrover- und Unimog-Fahrer freue ich mich auf die Erfahrung mit einem Toyota Hilux Double Cab-Camper mit Dachzelt. Und das im ersten Linksverkehr meines Lebens.

400 Kilometer Schotterpiste in einem Rutsch

Sofort zieht es uns auf die Schotterpiste. Auf der ist links fahren kein Problem, ist ja kaum ein Fahrzeug unterwegs. Schon eher links schalten, und der Blinker ist auch auf der verkehrten Seite: Daher betätigen wir mehrfach den Scheibenwischer, obwohl kein Regen in Sicht ist. Es gilt rund 400 Kilometer nach Sossusvlei vor dem Einbruch der Dunkelheit zwischen 18 und 19 Uhr zu bewältigen. Die geschobenen breiten Schotterstraßen gelten in Namibia nicht als Offroad, sondern als Standardstraße. Asphaltiert sind nur einige wenige wichtige Verbindungsstraßen in dem ehemaligen „Deutsch-Südwest“ von zweieinhalbfacher Fläche Deutschlands.

So heißt es denn auch: In Namibia berechnet man Strecken nicht in Kilometern, sondern in Stunden. Und dass eine Tagesetappe nicht mehr als 300-400 Kilometer umfassen sollte. Schneller als 60 bis maximal 80 km/h darf man auf den Pisten ohnehin nicht unterwegs sein. Wir merken bald: Wenn man den 90er Defender und vor allem den Unimog gewohnt ist, dann bewegt man sich in einem Toyota Hilux auf den Schotter- und Wellblechpisten mit dem Komfort einer Limousine.

Es wird sich weiter erweisen, dass die Zeit- und Streckenkalkulationen der Reiseführer auf den Durchschnittstouristen gemünzt sind. Das Amphibiums-Team, so wird offenbar, hat in den vergangenen sechs Jahren soviel „Skills“ im Fernreisen auf abgelegenen Pfaden erworben, dass wir schon am frühen Nachmittag völlig ungestresst nach einer begeisternden Berg- und Paßfahrt nahe Sossusvlei eintreffen.

Zeit für Bier & Gin auf der Campsite bei unseren Nachbarn; später dann die eigentliche Silvesterfeier in der Namib-Wüste bei lichtunverschmutztem Sternenhimmel und Braai-Grillen. Die Nacht in den 1. Januar 2019 hinein verbringen wir auf einer Matratze auf der Veranda einer Lodge des Desert Camps. Nächtliche rätselhafte Tierstimmen umgeben uns; und morgens werden wir ein paar Trittspuren um uns herum finden – Schalenabdrücke, keine Pfoten!

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Nachbargemeinde Mittelmeer

Schlachtvieh auf dem Weg
Tiertransporte in Marokko: Schlachtvieh auf dem Weg

Wir feiern Weihnachten in diesen Tagen. Bevor es zum Konsumfest mutierte, war es ein christliches (für manche ist es das noch immer). In diesem Kontext spricht man gerne vom christlichen Abendland, das unsere Heimat darstellt. Außer Acht gelassen wird dabei, dass es sich bei Europa um ein griechisch-römisch-christliches Abendland handelt.

Europäische Identität, europäische Werte entstammen der europäischen Antike – Denken und Demokratie von den Griechen, Rechtsgültigkeit von den Römern, Humanität und Menschenliebe von den Christen. Wie und wo sind diese Werte entstanden? Griechenland samt seinen zahllosen Inseln liegt im östlichen, Italien im mittleren, und das Christentum hat seine Wurzeln im östlichen Mittelmeerraum (die Region, die wir heute den Nahen Osten nennen).

Das römische Reich als europäischer Kulturraum

Die Griechen waren in Richtung Kleinasien und Persien (heutzutage Türkei und Iran ) unterwegs und brachten von dort Kenntnisse und Kultur zurück. Die Römer als ihre Nachfolger eroberten und besiedelten Nordafrika – ihre Hinterlassenschaften finden wir etwa in Marokko (Volubilis), Libyen (Leptis Magna), von Ägypten ganz zu schweigen. Wer die Weihnachtsgeschichte der Geburt des Jesus Christus in Palästina erzählt, erzählt auch immer eine Geschichte von den Römern und ihren Statthaltern. Und durch welche Gegenden reiste Paulus?

Man muss nicht an die christliche Religion glauben, um anzuerkennen, dass das frühe Christentum die europäischen Werte bedeutend beeinflusst hat. In summa: Die europäische Identität ist im Mittelmeerraum entstanden; … eigentlich sogar in den süd- und südosteuropäischen Mittelmeer-Anrainerstaaten.  

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Wanderungen an Vikos & Voidomatis

Vikos-Schlucht vom Ochia-Punkt gesehen

Vom Ochia-Aussichtspunkt gesehen, einer Art mauerbefestigter Balkon mit angeschlossener reisebusfester Parkbucht, fällt die Vikos-Schlucht rund 900 Meter in die Tiefe… so senkrecht vor den Füßen und Augen, dass auch trittsicheren und schwindelfreien Menschen das Kribbeln die Beine in den Magen hochschießt.

Vom Ort Mononendri führt ein anfänglich unbequem gepflasterter Weg hinunter. Zu diesem Zeitpunkt möchte der Wanderer glauben, so ginge es weiter steil hinunter und am Schluchtgrund das Flüsschen gleichen Namens entlang weiter. Aber die etwa zehn Kilometer zwischen Mononendri und dem Ort Vikos haben es durchaus in sich.

Es gibt einige Passagen zu klettern, zu kraxeln, zu krabbeln, ebenso wie schmale, bröckelige, geröllige Stellen, während der Pfad sich vorwärts windend mal höher, mal tiefer, mal am Schluchtgrund verläuft. Fünf bis sieben Stunden sind dafür zu kalkulieren. Verlaufen kann man sich nur schwerlich dabei; schon gar nicht, wenn man eine Wanderkarte des gesamten Gebietes in einem der Touri-Tinnef-Läden in Mononendri erwirbt.

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Olympia begann mit weniger als 200 Metern

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Oliver sieht Pendelstaffel im Olympia-Stadion zu

Die Olympischen Spiele begannen klein. Weniger als 200 Meter lang. Wenn man von klein auf sich für Sport und damit natürlich für die alle vier Jahre veranstalteten athletischen Wettkämpfe interessiert (und damit das Verständnis der modernen Version des Pierre de Coubertin einhergeht), weiß man das selten.

Und doch ist das Stadion im griechischen antiken Olympia nichts weiter als eine knapp 200 Meter lange staubige gerade Bahn, mit einer steinernen Start- und einer steinernen Ziel-Linie. Die Läufer legten stehend los, in späteren Jahren kamen ein Pendellauf dazu, und ein etwa 4800-Meter-Langlauf (bei dem man 24 mal die knapp 200 Meter hin und her lief). Auch gab es einen Waffenlauf in voller Aus-Rüstung.

Einige Jahre später dann Speerwerfen, Diskuswerfen, Wagenrennen, Ring- und Faustkampf – und die antike MMA-Urform, das Pankration, das Hinwerfen und Aufs-Maul-Hauen integrierte. Das Diskuswerfen geht auf das Schleudern von Feldsteinen zurück, mit denen man den Gegner den Schild aus der Hand oder ihn gleich ganz zu Boden schmetterte.

Der Kampf der mythischen Helden Achilles und Hektor vor Troja begann wohl so, nachdem sie ihre Streitwagen abgestellt hatten. Den Marathon-Lauf gab es auch nicht, denn dass ein Kurier-Läufer die frohe Kunde über den Sieg der Griechen über die persische Streitmacht den Menschen im 42 Kilometer entfernten Athen überbrachte (und tot zusammenbrach), hat mit Ur-Olympia nichts zu tun.

Stadion und Gymnasion

Die Olympischen Spiele begannen also klein: Eine wenige Wettkampfformen, und die teilten sich ein kleines schmuckloses Stadion (200 Meter = 600 Fuß des Herakles = ein Stadion; daher der Name für den ganzen Wettkampfort), bei dem die Zuschauer auf dem schräg geneigten Rasen standen oder saßen und nur die Kampfrichter auf einer steinernen Tribüne Platz nahmen – gegenüber eine Statue der Siegesgöttin Nike. Der Einmarsch der Athleten erfolgte wenig pompös durch einen steinernen schmalen Tunnel.

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Rendezvous mit Pinguinen und Walen

Gentoo Pinguine in Port Lockroy

Zugegeben: Die Antarktis mag nur Nummer Drei sein. Der Mond mag lebensfeindlicher sein, die große Unterwasserwelt unseres blauen Planeten auch. Auf Mond und unter Wasser ist das menschliche Leben nur mit Hilfe technischer Geräte möglich. Aber auch in der Antarktis ist das Gefühl allgegenwärtig, nur ein kurzfristig geduldeter Gast und von Hilfsmitteln extrem abhängig zu sein.

Die Antarktis ist kein Ort, an dem man sein oder bleiben kann. Das schützende Mutterschiff, das Sicherheit und Wärme spendet, wird selbst während der antarktischen Sommermonate nur für Stunden verlassen – eingepackt in dicke und vor dem Unbill plötzlicher harscher Wetterumschläge schützende Klamotten.

Penguin Post Office in Port Lockroy

Egal ob zu Fuß an Land inmitten der Gentoo Pinguine unterwegs, an Bord der Zodiac-Schlauchboote beim Transfer oder beim Kayaken in verwinkelte Ecken der Antarktischen Halbinsel – immer ist das Gefühl geliehener Zeit, begrenzten Aufenthalts übermächtig. Es gibt keine Möglichkeit eines Bleibens.

Manchmal sieht man ein paar simple Behausungen an Land: Port Lockroy etwa ist eine britische Post Station samt angeschlossenem Museum, die im Winter geschlossen ist. Fünf Monate im Sommer ist sie mit wenigen Menschen besetzt, die den Post- und Shopbetrieb aufrecht erhalten. Man bekommt von Ihnen einen Stempel des „Penguin Post Office“ in den Reisepass – auch wenn dieser Stempel im internationalen Reiseverkehr natürlich nicht gültig ist.

Wenn die Menschen zu Beginn des Winters abrücken, übernehmen die Pinguine endgültig das Kommando. Port Lockroy ist nichts weiter als ein rosa Felsen im Wasser, auf dem zwei Hütten stehen und der von den Pinguinen regiert wird. Und ihren rosa Stoffwechsel-Hinterlassenschaften – und so glitschen die Menschen auf den besudelten und beschmierten Felswegen umher, inmitten der gar nicht scheuen Pinguine.

Diese putzigen Tiere sind diejenigen, die im antarktischen Winter bleiben und den Stürmen trotzen. Wer nicht Pinguin ist, sieht zu, dass er wegkommt. Es gibt nur Luft- und Wasserbewohner; die possierlichen Pinguine sind die einzige Spezies, die den antarktischen Winter in der Höhe des Südpolarkreises an Land zu überstehen weiß. Aber nicht alle überleben.

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