Olympia begann mit weniger als 200 Metern

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Oliver sieht Pendelstaffel im Olympia-Stadion zu

Die Olympischen Spiele begannen klein. Weniger als 200 Meter lang. Wenn man von klein auf sich für Sport und damit natürlich für die alle vier Jahre veranstalteten athletischen Wettkämpfe interessiert (und damit das Verständnis der modernen Version des Pierre de Coubertin einhergeht), weiß man das selten.

Und doch ist das Stadion im griechischen antiken Olympia nichts weiter als eine knapp 200 Meter lange staubige gerade Bahn, mit einer steinernen Start- und einer steinernen Ziel-Linie. Die Läufer legten stehend los, in späteren Jahren kamen ein Pendellauf dazu, und ein etwa 4800-Meter-Langlauf (bei dem man 24 mal die knapp 200 Meter hin und her lief). Auch gab es einen Waffenlauf in voller Aus-Rüstung.

Einige Jahre später dann Speerwerfen, Diskuswerfen, Wagenrennen, Ring- und Faustkampf – und die antike MMA-Urform, das Pankration, das Hinwerfen und Aufs-Maul-Hauen integrierte. Das Diskuswerfen geht auf das Schleudern von Feldsteinen zurück, mit denen man den Gegner den Schild aus der Hand oder ihn gleich ganz zu Boden schmetterte.

Der Kampf der mythischen Helden Achilles und Hektor vor Troja begann wohl so, nachdem sie ihre Streitwagen abgestellt hatten. Den Marathon-Lauf gab es auch nicht, denn dass ein Kurier-Läufer die frohe Kunde über den Sieg der Griechen über die persische Streitmacht den Menschen im 42 Kilometer entfernten Athen überbrachte (und tot zusammenbrach), hat mit Ur-Olympia nichts zu tun.

Stadion und Gymnasion

Die Olympischen Spiele begannen also klein: Eine wenige Wettkampfformen, und die teilten sich ein kleines schmuckloses Stadion (200 Meter = 600 Fuß des Herakles = ein Stadion; daher der Name für den ganzen Wettkampfort), bei dem die Zuschauer auf dem schräg geneigten Rasen standen oder saßen und nur die Kampfrichter auf einer steinernen Tribüne Platz nahmen – gegenüber eine Statue der Siegesgöttin Nike. Der Einmarsch der Athleten erfolgte wenig pompös durch einen steinernen schmalen Tunnel.

Das war’s. Im Bereich des heutigen Eingangs findet sich das Gymnasion – und, ja, der heutige Begriff Gymnasium leitet sich davon ab, aber damals war das ein Ort der Leibesertüchtigung, ein Fitness- und Trainingsstudio; wie man im US-Slang sagt: ein „Gym“. Das olympische Gymnasion war durchaus nicht klein, ein von Säulen umstandener Ort der letzten Wettkampfvorbereitungen der versammelten Sportler.

Olympisches Dorf der Antike

Aber: Leicht wird vergessen, dass Olympia vor allem ein Heiligtum war, in dessen Mitte ein gewaltiger Tempel mit der nicht minder gewaltigen Zeus-Statue aus Elfenbein und Gold stand. Drumherum gruppierten sich Gäste- und, speziell zur Zeit der römischen Herrschaft, Bade-Häuser, Liegenschaften für Honoratioren und Priester und ähnliches mehr.

Und die Werkstatt des maßgeblichen Bildhauers und Steinmetzes. Und der Altar der Hera, an dem das Olympische Feuer entzündet wird. Das olympische Dorf der damaligen Zeit sozusagen. Stadion und Gymnasion führten eine eher bescheidene Existenz am Rande dessen steinerner Gewaltigkeiten.

Heutzutage zeugen vielerlei alte Steine von den damaligen Geschehnissen, und pilgern mehrere Busladungen von Kreuzfahrtschiffen herbeigekarrter Touristen durch die verbliebenen Säulen und weitläufig verstreuten Mauernfragmente. Im Stadion laufen manche ihren ganz persönlichen 200-Meter-Lauf, und können sagen: Ich bin in Olympia gelaufen!

Tatsächlich rennen französischen Schülerinnen und Schüler wohl eines – so lassen die Trikots schließen – Sport-Lyzeums eine ernsthafte Pendelstaffel… und dieser Wettstreit mit Jubel und Tränen, Abklatschen und Trost lässt so viel mehr vom olympischen Feuer der Begeisterung ahnen als die 2000 Jahre alten Steine. Wir lassen es uns obendrein nicht nehmen, im Stadion einen Krav Maga-Slowfight im Sinne des Pankration auszuüben (siehe Video).

Unser mobiles Heim steht in einer Seitenstraße vor einem leerstehenden Haus im alten Olympia (es gibt auch in der Nachbarschaft ein modernes Städtchen gleichen Namens), das außer den Ausgrabungsstätten drei offizielle Museen (das primäre besuchen wir) eine Vielzahl an Hotels, Restaurants, Café-Bars und Souvenir-Läden beherbergt. Dazu ein überraschend spannendes Museum zu Ehren des großen Mathematikers Archimedes und seiner maßgeblichen Leistungen und Erfindungen.

Nach Abfahrt der großen und kleinen Busse, Mietwagen und Taxen bleibt im Frühjahr, justament zur Beginn der Saison, ein leeres Städtchen Olympia zurück, in dem wir angenehm ruhig und wohlschmeckend zu Abend essen.