
Ein paar Jahre ist es her mittlerweile, da widmete sich ein britischer Professor für Nachhaltigkeit intensiv der Klimawandelforschung. Jem Bendell, so sein Name, nahm dafür ein Jahr Auszeit von seinem regulären Job. 2018 veröffentlichte er dann ein Thesenpapier, in dem seine Einschätzung der Lage zum Ausdruck brachte: Die Menschheit steht unausweichlich vor einem zeitlichen naheliegendem sozialen Kollaps, wahrscheinlich vor einer Katastrophe, womöglich vor Auslöschung. Er kritisierte in seinen Ausführungen, dass Wissenschaft wie Öffentlichkeit subtilen Verleugnungsmechanismen unterlägen – diese Realität dürfe eben nicht wahr sein. Simpel gesagt: Sie steckten den Kopf in den Sand.
Bendell meint, dass seine akademischen Kollegen die zeitnahen Folgen herunterspielten, weil Karrieren im Wissenschaftsapparat, auch und gerade im Nachhaltigkeitskontext, von Forschungsgeldern und den damit verbundenen Unternehmens-Strukturen abhingen – und dass der ganze Nachhaltigkeitsgedanke von dem Glauben dominiert sei, dass das Schlimmste sich noch verhindern lasse. Diesen Glauben an sein eigenes Fach hatte Bendell aber verloren: Wie viel Wärmepumpen, E-Autos etc. es auch immer geben werde – die Umstrukturierung zur Dekarbonisierung ginge viel zu langsam voran.
Ernteausfälle und Hungersnöte
Während der Covid-Pandemie haben wir gelernt, was exponentielles Wachstum ist. Von so etwas spricht Bendell, wenn die Arktis in zehn bis 15 Jahren abgeschmolzen sein sollte. Dann ist eine riesige weiße Fläche über dem Nordpol weg, die Sonnenlicht reflektiert, stattdessen sorgt die dunkle Meeresoberfläche dafür, dass das Meer mehr Sonnenlicht, also Wärme, aufnimmt. Das wird den Temperaturanstieg explodieren lassen. Und das umso mehr, wenn meeresbodengebundenes Methan freigesetzt wird.
In den reichen westlichen Ländern der Nordhalbkugel ist bisher kaum bemerkt worden, dass die Lebensmittelpreise auch deswegen anstiegen, weil es wegen Hitze/Trockenheit/Dürre schon relevante Ernteausfälle gab. Die Kriege in der Ukraine und Gaza lenken davon ab. Es wird aber in 10-15 Jahren sehr bedeutende Ernteausfälle weltweit, teilweise massiv in Indien und China, geben. Die reichen Länder werden vielleicht um Hungersnöte erst einmal drumherum kommen, weil sie genügend Geld haben, die extrem ansteigenden Lebensmittelkosten bezahlen zu können.
Das globale Nahrungssystem ist profitorientiert
Aber anhand dessen, was sich wegen der jetzt schon etwas teureren Lebensmittel politisch hierzulande und in Europa abspielt (etwa Rechtsextremismus), und das bei nur zwei Prozent Inflation, mag man sich vorstellen, welche politisch-soziale Aufruhr-Gemengelage es so um 2035 geben wird. Auf Hungersnöte und die damit verbundenen sozialen Disruptionen wird aber auch Europa zusteuern. Nahrung ist eigentlich genug da, für jeden Erdenbewohner, aber, so argumentiert der Nachhaltigkeitsprofessor:
The global food system is dangerously and increasingly optimized for efficiency and profit rather than ensuring everyone has food.
Obendrein wird es diese Hungersnöte natürlich in den ärmeren Ländern des Globalen Südens viel früher geben – ist schon klar, was daraus folgen wird: verstärkte Wanderungsbewegungen gen Norden. Da werden Mittelmeer, Polizei und Militär nichts dran ändern. Wie Verzweiflung aussieht und sich auswirkt, kann man derzeit <Vorsicht: Zynismus!>im Live-Theater in Gaza beobachten; was Verzweiflung bewirken mag und wie wenig Zäune, Mauern & Militär letztlich dagegen ausrichten, in der marokkanisch-spanischen Grenzstadt Melilla – wenn 2000 Menschen sich ernsthaft vornehmen, den sechs Meter hohen, NATO-Stacheldraht bewehrten Zaun zwischen Afrika und Europa zu stürmen, dann tun sie das; auch wenn ein paar Dutzende oder Hunderte dabei im wahrsten Sinne des Wortes hängenbleiben.
Grenzen & Möglichkeiten der Vorbereitung
Professor Jem Bendell hat nicht nur klug daher geredet und geschrieben, sondern auch Konsequenzen gezogen: Job & Karriere geschmissen, raus aus der Nachhaltigkeits-Verblendung, rein in ein neues Leben. Auf eine Farm für Bio-Anbau in Bali, Indonesien. Er meint nämlich keineswegs, dass nunmehr alles sinnlos sei. Vielmehr gehe es darum, den Prozess hin zum Kollaps so weit möglich hinauszuzögern und die Schmerzen auf diesem Weg so gering wie möglich zu halten. Also alles, was es an Technik & Struktur unter dem Rubrum „Dekarbonisierung“ gibt, weiter zu betreiben (also bitte weiter Wärmepumpen, E-Autos etc).
Aber das ändert alles nichts am kommenden gesellschaftlichen Kollaps. Wie der aussehen wird, weiß auch der Professor nicht. Gibt es eine Vorbereitung darauf? Eigentlich auch nicht. Ganz gewiss nicht den der „Camo-Ammo“-Survivalists, eher den der „gentle Prepper“… wie immer, das Wichtigste ist, den beängstigenden Gedanken des kommenden Kollaps an sich heran zu lassen, diesen und die damit verbundenen Angst-Gefühle ernst zu nehmen und anzuerkennen. Vielleicht etwas über Vergänglichkeit und Loslassen zu lernen. Und vielleicht sein (Rest-) Leben auf das (für sich) Wichtige und Wahre auszurichten. Und seinen Teil zur Dekarbonisierung beizutragen.
Deep Adaptation – Tiefe Anpassung
Wer diese Zeilen gelesen hat, eventuell weiterführende Texte bei Bendell (siehe nachstehend) selbst, Nachwuchs hat, und kurz vor einer Panikattacke steht, liegt richtig. Es gibt Grund zur Panikattacke. Aber: Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit führen manchmal, so belegt die menschliche Geschichte, zu neuen Lösungen außerhalb der gewohnten Blackbox. Deswegen hat Bendell eine Agenda geschaffen, die er Deep Adaptation nennt – die „Tiefe Anpassung“ an die Wirklichkeit. Und die bietet eine Kommunikations-Plattform zur (persönlichen) Weiterentwicklung und Lebensführung vor dem Hintergrund des Klimakollapses.
Ein bisschen Hoffnung? Jem Bendell schreibt aus Bali:
I cannot honestly hope for a better future, so instead I’m hoping for a better present. I’m earning less money and instead I’m eating better and feeling better. I’m not compromising my truth because I have nothing to lose. I’m sleeping more, enjoying more and loving more. In this sense, my life is not doom and gloom. Instead, both doom and bloom are complementary sides to my everyday experience.
Quellen, Resourcen, weiterführende Links
Das alles detailliert zu beschreiben, sprengt den Rahmen eines Blogtextes. Da lasse ich den Professor lieber selber sprechen bzw. schreiben. Lies viel und schnell. Und, wie Bendell meint:
Then reach your own conclusions. Key is that you don’t postpone it for years – like I did.
Daher ab hier grundsätzliche & weiterführende Lektüre mit präzisen Ausführungen und Argumentationen, auch (Übergangs-) Lösungsansätzen, persönlich wie global (eine Auswahl):
Prof Jem Bendell – living with metacrisis and collapse
Fourteen Recommendations on Living Beyond Collapse-Denial
After Climate Despair – One Tale Of What Can Emerge
How do I sustain myself in these times?
Major life changes become the least risky option
Keeping your job at the end of the world (as we know it)
After acceptance – some responses to anticipating collapse
Adapting deeply to likely collapse an enhanced agenda for climate activists
Was hat das alles mit Krav Maga zu tun?
Für mich denke ich in der wohlbekannten Krav Maga-Weise: Be prepared bedeutet nicht, für jede Situation eine perfekte Lösung zu haben, wohl aber, an seinen physischen & mentalen Fähigkeiten zu arbeiten, sowie technische Fähigkeiten & Fertigkeiten zu erwerben, um sich an sehr unterschiedliche Herausforderungen wenigstens ansatzweise anpassen zu können.
Ich erinnere mich noch an ein Krav Maga-Training im israelischen Militärstützpunkt Wingate, bei dem der Chefausbilder sagte: „Wir trainieren nicht mehr Standardsituationen; es läuft immer alles anders, als man es erwarten und planen konnte. Wir trainieren nur noch, auf Überraschungen zu reagieren und zu improvisieren.“ Eben, wie ein anderes Krav Maga-Leitmotiv lautet: Always expect the unexpected!
Krav Maga, Kobudo, MBSR, Wildnispädagogik, Achtsamkeit in der Wildnis, Pflanzenbasiertes Intervallfasten, Barfußlaufen, „gentle Prepping„: Zum Angebot von roninkravmaga hier entlang…