Camping-Oase und Stausee-Kamele

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Keine Wüste ist eine ohne Oase. Nachdem wir nahe Assa aus dem Oued Draa entlassen wurden, gingen wir in dieser überraschend aufgeräumten und beinahe hübschen Stadt einkaufen, gaben dem Pferd zu trinken und sorgten dafür, dass seine Hufe neu beschlagen wurden…

… ein Milchkaffee im Straßencafé musste natürlich sein, und zum Abschied winkten uns die beiden Polizisten der Gendarmerie Royale, denen wir kurz erklärt hatten, welchen Weg wir genommen hatten, freundlich zu und riefen: „Ihr seid ja jetzt Marokkaner…“

(Also eigentlich haben an einer Tankstelle den Unimog getankt, den Wassertank aufgefüllt und den Luftdruck auf den Reifen wieder erhöht (dabei bekamen wir das wahrscheinlich weltbeste Couscous angeboten – nämlich eines, das nicht aus einem Restaurant stammte, sondern von Tankwart und Wäscher selbst fabriziert worden war und in der Waschhalle in der Ecke gefuttert wurde… es war natürlich Fleisch drin, also haben wir dankend und bedauernd abgelehnt.)

Vor dem Marjane-Markt stehen einige weiße Wohnmobile überwiegend französischer Herkunft, deren Besatzung ihre Kaufkraft in den Konsumtempel tragen. Und es stehen ein paar marokkanische Buben da, die zielsicher auch uns ansteuern und schnorren. Da haben ein paar Jungs der Umgebung gemerkt, dass man an diesem Ort recht erfolgreich die Hand aufhalten kann. Freilich – die Security des Marktes weiß auch dies, und es dauert nicht lange, da erteilt ein gestrenger Mitarbeiter Platzverweise.

Keine Wüste ist eine ohne Oase – wir finden unsere wenige Kilometer weiter, geradezu zufällig. Ein paar Kilometer außerhalb, ein paar Dörfer weiter, ein paar enge Straßen weiter, unter ein paar eng stehenden Palmen hindurch, an Lehmmauern vorbei. Ein Schild weist zum Camping Ainnakhla, und die Wahl dieses Ortes wird sich als Glücksgriff erweisen – oder eben: Im Universum gibt es keine Zufälle.

Besitzer Salah hat jahrelang in Deutschland gelebt, ist ein immer gut aufgelegter Mann, der einen wunderschönen Campingplatz samt Nebentrakten, Nomadenzelt in der Palmen-Oase Tighmert leitet und die nun wirklich allerbeste Gemüse-Tajine der Welt zum Abendessen in einem ebenso wunderschönen Esszimmer serviert.

Für Vegetarier und Veganer ist es in Marokko nicht immer leicht. Tiere sind zum Essen da. Gemüse ist in den abgelegenen Eckenteilweise schwer zu bekommen. In einem Restaurant zu essen, bedeutet zu hören: „Aber natürlich haben wir was Vegetarisches: eine Gemüse-Tajine!“ Was in der Regel bedeutet, einen dreimal totgekochten Kartoffel-Karotten-Matsch serviert zu bekommen.

Ein Campingplatz als Oase

Wir sind baff. Unter Fernreisenden und Lkw-Nomaden gibt es nicht wenige, die das Freistehen und das Meiden jeden Campingplatzes zur conditio sine que non erhoben haben. In Ainnakhla zumindest wird uns klar, dass ein Campingplatz wie die Zelt-Landschaft einer Wüsten-Oase und das Nachtlager einer Kamelkarawane daherkommen kann. Wir genießen aus vollen Zügen und lümmeln auf dicken Kissen zwei Tage, die der Tour-Plan so nicht vorgesehen hat.

Tatsächlich beschließen wir den Aufbruch schweren Herzens und schlagen den Weg Richtung Agadir, das wir an einer Kreuzung links liegenlassen, und Taroudannt ein. Dort leitet uns unversehens ein Mopedfahrer zu einem innerstädtischen Womo-Stellplatz, direkt hinter den alten Mauern der Kasbah. Er möchte meine Sonnenbrille für seine Dienstleistung und bekommt zehn Dirham. Wir verlieren uns zum Nachtspaziergang in die turbulente Medina, wo Mensch und Tier, Eselskarren und Moped, Fahrrad und Auto engst aneinander vorbeiwuseln.

Regen und Nebel auf dem Hochplateau

Früher hätte man sich im Gewirr der Gassen rettungslos verirrt, heute ist das weniger ein Problem: GPS sei Dank. Die Navigations-App auf dem Smartphone verrät, ob die intuitiv gewählte Route auch in die richtige Richtung führt. Da kann man zwischendurch ganz entspannt zwei Kilo Gewürzkaffee erwerben.

Am nächsten Tag geht es in Regen und Nebel bis auf ein endlos scheinendes Hochplateau auf 1800 Meter; in Tazenakht machen wir Pause. Die Sonne bricht durch, der Ort wirkt freundlich, die Touristendichte hat deutlich abgenommen. Wir durchqueren die Hauptstraße zu Fuß überraschend schnell und nehmen schon wieder Kurs auf Quarzazate.

Sandalen-Filme in Pappmache-Kulissen

Quarzazate. Ein magischer Name, den manch Reiseleiter trügerisch findet: Dort, so heißt es, gäbe es nichts Besonderes; bestenfalls die Filmstudios, in deren Kulissen soviele Blockbuster gedreht wurden – wie Gladiator etwa (dessen Arena aber im nahegelegenen Ait Ben Haddou errichtet wurde). Von „Lawrence of Arabia“ kündet auch das Filmmuseum, von „Königreich der Himmel“, James Bond- und einigen Sandalen-Filmen und anderen mehr. Interessant jedenfalls, wie man mit geschickter Kamera- und Lichttechnik die aufwändigen Pappmaché-Burgen und -Paläste im Film so echt erscheinen lassen kann…

Was aber Quarzazate wirklich interessant macht, ist seine Ordentlichkeit, Sauberkeit und Prosperität – auch die Seitenstraßen etwa sind asphaltiert, was bislang auf unserer Tour im Süden eine Seltenheit war. Und das ganz im Kontrast zu den Aussagen eines jungen Guides, den wir nahe der Kasbah treffen und der davon spricht, dass es schon lange keine Filmproduktionen mehr gäbe und der König und die Regierung den hiesigen Landstrich verkümmern ließen: Geld für Entwicklung ginge woanders hin…

Der Guide wartet nicht am offiziellen Eingang der Kasbah. Dort stehen die offiziellen Führer für die Reisebus-Touristen, aber dazu zählt er nicht. Vielmehr offeriert eine inoffizielle Führung durch den unterhalb der Kasbah gelegenen Wohnbereich, als wir auf eigene Faust versuchen, die Kasbah zu erkunden. Er erläutert ausführlich die Lebensverhältnisse dort, deutet auf Türen und Mauern und erzählt ihre Geschichten.

So hören wir einiges über den Islam und den Imam (der verheiratet sein muss, sonst kann er keiner werden), Moschee und Syngagoge (die heute von einer Familie bewohnt wird), die Mellah (das ehemalige Judenviertel), Politik, Gesellschaft und Wirtschaft der Region, Sprache und Dialekte und werden sogar durch die Wohnung seiner Mutter und seine eigene Behausung geführt. Orte, die die Touristen oben an der eigentlichen Kasbah, die für einiges Geld nur einige wenige hergerichtete Fürstenzimmer zu sehen bekommen, niemals zu Gesicht bekommen.

Zwei Nächte verbringen wir in Quarzazate; die erste notgedrungen auf einem Campingplatz, um Filmmuseum und Kasbah fußläufig erreichen zu können. Die zweite aber mehr als zehn Kilometer außerhalb am Stausee.

Ein Glücksgriff: Auf einer Landzunge sind wir an drei Seiten beinahe von Wasser umgeben und endlich wieder weithin allein. Nicht ganz – am nächsten Morgen besucht uns eine Kamelherde. Deren Hirte lässt seine Tier gar für Beates Kamera paradieren und posieren – und natürlich ist es möglich, eines der Tiere zu streicheln.

Auch hier mögen die vorstehenden Bilder sprechen.