Plastik-Recycling, Zucker-Hack & die Pistenkuh

See und Sand

See und Sand

Der Wüsten-Ort Tah ist in Sichtweite, doch bevor wir auf unserer nunmehr recht klaren Piste die in Nord-Süd-Richtung verlaufende Teerstraße erreichen, kreuzt noch eine Kamelherde unseren Weg. Die Tiere sind allein unterwegs.

In Tah selbst kaufen wir Trinkwasser in – leider (geht nicht anders ) – Plastikflaschen. Unser ältliches Fahrzeug verfügt nicht über eine dieser modernen Wasserdesinfektionsanlagen, und auch wenn wir noch nie Hygiene-Probleme hatten, so sollte man doch vorsichtig mit dem angeblichen Trinkwasser sein, das einem an Camping- oder Stellplätzen angeboten wird. Wir kochen also das Wasser aus dem großen Tank ab – meistens in Form von Kaffee oder Tee – oder greifen zu Trinkwasser in PET-Flaschen.

Plastikflaschen-Recycling sinnvoller Art

Angesichts der aktuellen Diskussion um Mikroplastik in den Weltmeeren ein Sakrileg – und dennoch wiederum nicht, den in Marokkos ärmlichen Gegenden sind diese Plastikflaschen durchaus begehrt im Sinne eines sinnvollen Recyclings: Die Leute brauchen sie als Behälter für Öle jeder Art (ob für Mensch oder Maschine), Sprit (ob Diesel oder Benzin), für Oliven, für-was-auch-immer oder basteln Einfüllstutzen und anderes daraus.

Lässt man die PET-Wasserflaschen im Ort zurück, so finden sie ihre Abnehmer und Nutznießer: Vermutlich ist es für die Einwohner schwerreicher Industrienationen schwer nachzuvollziehen, wie einfach und reduziert die Bewohner anderer Länder leben – und aus welchen Müll-Stücken diese noch einen Nutz-Wert ziehen.

Zucker-Zerkleinerung  mit der Axt

Für uns wiederum schwer nachzuvollziehen, ist die Form, in der man Zucker unterwegs in Marokko erwerben kann: In Form einer Zuckerhutes von etwa 30 Zentimetern Höhe und mehr als zehn Zentimetern Durchmesser, der so bretthart ist, dass man ihn mit Axt, Hammer und Rohrzange zerkleinern muss. Aber selbst wenn man einen daumengroßen Brocken davon in die Kaffeetasse wirft, so ist die Wirkung doch schwächlich…

Da wir in Tarfaya wieder vorbeikommen, ergänzen wir dort unsere Obst- und Gemüsevorräte und sind uns bei einem Stand nicht sicher, ob wir etwas falsch verstanden haben oder ob der Händler uns nicht massiv übers Ohr hauen wollte: Erst war von 1420 Dirham (140 €) die Rede – und nachdem wir protestierend reagiert haben, von 70 Dirham (7)… Wir sind immer bereit, einen Touristen-Zuschlag gegenüber den Preisen für die Einheimischen zu zahlen. Aber sich komplett für dumm verkaufen zu lassen, geht natürlich auch nicht. Letztlich können wir nicht klären, ob ein Miss-Verstehen vorlag oder der Händler es einfach versucht hat…

Lagune Lac Naila

Lagune Lac Naila

Weil die Lagune so schön war, an der wir die Flamingos besucht hatten, steuern wir abermals für eine Überbrückungs-Nacht den Lac Naila bei Akhfenir an und stoßen nach einem acht Kilometer langen Strandspaziergang dort auf ein Pärchen aus Berlin, die mit Mietwagen und Zelt unterwegs sind: er gebürtiger Marokkaner, sie gebürtige Ukrainerin…

Und was er erzählt, passt zur Geschichte zuvor: Der Student kritisiert die Marrakshis (und andere Marokkaner), die die Touristen zu krass übers Ohr hauen würden… und außerdem, dass der Lac Naila ein tolles Projekt für (Biologie-)Studenten sein könne, aber die Regierung nichts dafür tue. Tatsächlich sind die Flamingos, Reiher, Löffler und andere (See-)Vögel einen Besuch wert, ebenso die Lagune selbst und die salzwasserresistenten Pflanzen, die sich bei Ebbe aus der Lagune erheben bzw. bei Flut in der Lagune versinken – bestimmt ein spannendes Biotop.

Was auf die Ohren

Ein (selbst ernannter?) Naturschutzwart vor Ort klagt aber ebenso darüber, dass es keine offiziellen Bestrebungen gebe, dass er daher für eine kleine lokale Gruppe und auf eigene Rechnung arbeite – und dass die Eltern der Umgebung kaum ihre Kinder zu ihm schickten, weil sie dann dafür bezahlen müssten. Er spricht gut deutsch, da er eine Zeitlang in Deutschland gelebt hat, und klagt über das mangelnde Umweltbewusstsein seiner Landsleute.

Schließlich erbittet einen Lappen für seinen vom stetigen Seewind entzündeten Ohren und bekommt auch einen, den er sich sofort um den Kopf und unter die Basecap bindet – ohnehin ist er mit einer alten spanischen Militäruniform, einem Pälastinenser-Tuch und einer Daunenweste verquer angezogen. Aber, wie zuvor erwähnt: Die Leute nehmen, was sie überhaupt bekommen können; Stilfragen kann man sich im reichen Westen, aber hierzulande auf dem Lande keiner leisten.

Treffen mit der “Pistenkuh”

Nach einer weiteren Übernachtung am Cap Draa, wo wir lustig mit zwei netten Soldaten in englisch, französisch und arabisch parlieren, nehmen wir Kontakt zur „Pistenkuh“ auf und treffen uns tags darauf mit Sabine und Burkard Koch zum Kaffee in El Ouatia. Die beiden reisen ihr gemeinsames Leben lang durch die Welt und leben seit Jahrzehnten in ihrem Steyr-Offroad-Lkw, wegen seiner auffälligen Bemalung die „lila Pistenkuh“ genannt. (Mehr zur Pistenkuh nach Klick hier…)

Unter den vielen Fernreisenden zählen sie zu den bekanntesten Figuren; auch liefern sie sehr akribisch recherchierte Bücher und DVD’s zu vielen Reiseländern der Welt – in unserer Bordbibliothek steht das Pistenkuh-Marokkobuch. Nach einem vergnügten Mittag mit spannendem Gespräch & Gedankenaustausch über Reisen & Reisefahrzeuge, unser Projekt „Krav Maga- & Wildnis-Training für Reisende“ und – umhängt von toten Tierteilen der Schlächtereien – über Ernährung unterwegs, tuckert der Steyr dann gen Mauretanien ab und der Unimog in Richtung Oued Draa, wo wir tatsächlich eine Wüsten-Tour der Pistenkuh nachfahren wollen.