Ein Plantagen-Besuch

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Ein Marokkaner arbeitet in Frankreich, dort lernt er eine Frau kennen, die deutlich jünger als die in der Heimat zurück gebliebene Ehefrau ist. Elf Kinder werden auf diese Weise gezeugt, doch der Mann bleibt lieber bei seiner vergleichsweise gut bezahlten Arbeit in Europa. Und dem lukrativen Import-Export-Handel.

Seiner Familie im Heimatland kauft er 15 Hektar Land für Obst- und Gemüseanbau und baut zwei moderne Ställe mit Stromanschlüssen und Wasserverdunstungsanlage für 10.000 Hühner. Seine Söhne sollen sich drum kümmern und ihren Lebensunterhalt auf diese Weise selbstständig auf einer windigen Hochebene im Atlas erwirtschaften.

Der Älteste und damit Familienoberhaupt geht aber lieber als Anstreicher in Libyen arbeiten. Er fühlt sich dort sicher und wird gut bezahlt. Das ist leichter als die mühselige Agrarwirtschaft zuhause. Dattelpalmen und Olivenbäume lässt er von wenigen bezahlten Arbeitern und deren Frauen pflegen; die Mandelbäume gehen ein, weil niemand das rechte Maß zwischen zu viel und zu wenig Wasser zu finden weiß.

Brach liegendes Potenzial

Es gibt eine Wasserversorgung mit einer auf einem Gebäudedach angelegten Zisterne, zu der mit Gas und Diesel betriebene ehemalige Fahrzeugmotoren das Wasser aus Brunnen emporpumpen. Die Sicherheitsvorkehrungen lassen die Besucher aus Deutschland und der Schweiz, darunter einige Techniker, erschaudern.

Der älteste Sohn erklärt, dass er sich kaum um die 15 Hektar kümmere, weil sonst seine anderen Familienmitglieder nur davon profitieren würden. Das Land zu verteilen, geht nicht; es steht ihm als Ältesten alleine zu und er bestimmt, was damit geschieht. Also liegt das Potenzial brach. So sieht marokkanische Realität aus.

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Dazu gehört auch, dass wenig Chancen bestehen, dass der mitgebrachte Refurbished-Laptop den Frauen bzw. der Bildung derer Kinder zu gute kommt. Eher wahrscheinlich, dass er bei einem der Söhne auf dem Schreibtisch als Statussymbol endet. Dazu gehört obendrein, dass der Älteste ob des im vergangenen Jahr versprochenen Handys über das überreichte Nokia-Modell die Nase rümpft und nach einem iPhone fragt.

Wir verlassen die Familie nach einer Übernachtung und nachdem wir uns ihre Plantage haben zeigen lassen und erklimmen wir den Atlas weiter gen Norden. Zum Konzept von eineweltreisen.org gehört auch bei einem Fernreiseseminar, die politische und kulturelle Realität vor Ort direkt erfahrbar zu machen. Reisen soll dem Erkenntnisgewinn dienen, auch wenn manchmal Ernüchterung eintritt.

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Wir passieren die Gegend nahe Quarzazate mit ihren zahlreichen Kulissen für A- wie apokalyptische Endzeit- und Horror-Movies (etwa in Ait Ben Haddou für “Gladiator” mir Russell Crowe), um schliesslich im Örtchen Telouet nahe einer Auberge samt Restaurant zu übernachten. Marrakesch ist immer noch 140 Kilometer entfernt, doch hierhin gelangen schon Touristen mit normalen Pkw zur Stippvisite.