Der See I

Schließlich habe ich ihn gesehen, meinen Freund. Seine Spuren hatte ich rundum den See entdeckt – schwer zu übersehen waren sie. Ein Wechsel führte zwischen Schilfhalmen und Gräsern aus dem Wasser an Land, ein ausgetrampelter Pfad zeugte von seinem Weg zu jungen Bäumchen, die er spitz zugenagt hatte. Wie kleine Pfähle, die auf eine mittelalterliche Folterprozedur warteten, ragten sie aus dem Boden.

Ich warte frühmorgens am Ufer des Sees. Der Nacht weicht zögerlich dem Nebel, aus dem Dunkel wird Dunst. Schwaden ziehen über den See; das Fernglas liegt in meiner Hand. Eine Lerche, die Tagverkünderin, wie sie Romeo bei Shakespeare bezeichnet, singt im Baum droben.

Der See II

Ich starre aufs Wasser, doch auch der weite Panorama-Blick der Eule fängt keine Bewegung auf der ruhigen Oberfläche ein. Er kommt erst, als ich den Blick abwende. Natürlich.

Plötzlich liegt ein Kopf im Wasser, da ist er, mein Freund – der Biber. Genau vor einem Jahr war ich ihm begegnet (Trommel-Bau und Biber-Jagd); und wieder ist er unterwegs; oder einer seiner Nachfahren. Er schwimmt ruhig; falls er mich am Ufers stehend und entlang schleichend wahrnimmt, so ist es ihm wohl egal. Alle paar Meter taucht er ab, um alle paar Minuten wieder an die Wasseroberfläche zu steigen.

Nagespur eines Bibers

Kein Zweifel, ein Biber! Doppelt so groß und schwer wie eine Nutria, die wiederum doppelt so groß und schwer wie ein Bisam. Nur der Kopf ragt aus dem Wasser, kein Rücken, kein Schwanz ist zu sehen. 20 Minuten schwimmt er auf und ab, das Fernglas holt ihn nahe vor meine Augen. Schließlich verschwindet er.

Die Sonne kämpft sich durch den Dunst, nach und nach verzieht sich der Nebel, wird immer dünner, dann ist es hell und klar und licht und die Monochrome-Landschaft wird farbig.

Der See III

Wenn du dir Mühe gibst und geduldig bist und ihnen deinen Respekt erweist, dann kommen auch deine Freunde. Und für das Amphibium ist ein semiaquatisches Wesen wie ein Biber (und Nutria und Bisam auch) ein besonderer Kumpel.

Magie gibt es in der Natur noch immer, und sie liegt nicht so entfernt. Wo der See ist? Da, wo du ihn findest.