Archiv für das Jahr: 2018

Der Weg in die Westsahara

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Oliver beim Sling-Training

Farah ist gen Süden aufgebrochen (siehe Beitrag “Farah auf dem Fahrrad”), die Ladies und wir besteigen ein Fischerboot. Es geht raus auf die Lagune, um den Flamingos und Reihern näher zu kommen. Zähe Verhandlungen um den Preis sind voraus gegangen, dann legen wir ab und schaukeln in der Brandung den Vögeln entgegen.

Dem Naturschauspiel folgt ein Ruhetag – mit Aufräumen. Wenn man nicht fährt oder besichtigt, so hat sich gezeigt, ist selten Ruhe fürs Nichtstun. Das Fahrzeug will gecheckt und gewartet sein, wenn es kommenden Herausforderungen im Wüstensand gewachsen sein soll. Dies umso mehr, als Autobahn- oder überhaupt lange Asphaltstrecken eine Quälerei für seinen Motor und seine Achsen sind, nicht aber das Gelände.

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Unimog an Lagune

Aber auch andere Ausrüstungsgegenstände, Klamotten und Inventar bedürfen der Pflege und Reinigung, ebenso der Innenraum des Wohnkoffers. Fotos zu sichten und zu bearbeiten, braucht Zeit; einen Bericht zu verfassen, ebenso. Während einer Tour komme ich kaum zum Lesen.

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Farha auf dem Fahrrad

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Minimalismus auf Reisen mit einem Unimog? Wir bewegen uns schon low-budget und unter nahezu primitiven Umständen vorwärts, doch Farha ist ganz anders unterwegs: browngirlonabike ist ihr Instagram-Name und Aussage genug. Sie betreibt ein Blog gleichen Titels.

Farha ist stammt aus East London, ursprünglich aus Kashmir, ist Frau, Muslimin und brauner Hautfarbe. Sie lebt unter quasi dreifacher Be- und Vor(-ver)-Urteilung; und sieht sich quasi multifaktoriell kolonisiert. Dieser Enge und Bedrücktheit will sie entfliehen und das finden, was sie selbst jenseits aller Erwartungshaltungen und Etiketten ausmacht.

Mit 50 kg Gepäck auf einem alten Stahlrad

Sie ist jung, hat mit traumatisierten Flüchtlingen gearbeitet, den Job gekündigt, ein altes Stahlrennrad beträchtlichen Gewichts erworben und überarbeiten lassen und ist losgeradelt. Ohne eine wirkliche Ahnung vom Radfahren, von den 50 Kilogramm Gewicht, die sie an Gepäck mit sich führt– die ersten hunderte von Kilometern in England und Frankreich ist sie oft gestürzt.

Wir überholen sie auf dem Weg in die Westsahara; glauben erst nicht unseren Augen, als sich ein schmaler Körper mit einem violetten Oberteil auf einem Rad die von marokkanischen Lastwagen dicht bepilgerte Teerstraße entlangkämpft. Die Trucker haben es eilig, sind jenseits jeder Lastgrenze beladen und kennen keine Rücksicht.

Vertrauen und Angst

Als wir am Lac Naila am Nationalpark bei Akhfenir einbiegen und an einer Lagune, die die Zwischenstation von Flamingos, Löfflern, Reihern und anderen Zugvögeln darstellt, einen Übernachtungsplatz suchen, ist sie einige Zeit später auch da. Fragt, ob sie ihr Zelt in unserem Schutz aufbauen darf, und ihr Rad an den Unimog lehnen.

Manchmal schläft sie in Herbergen und Pensionen, sofern es sie gibt, manchmal betreibt sie Couchsurfing. Manchmal krabbelt sie zu einem Hirten ins Zelt in Hoffnung auf seine Lauterkeit. Sie ist unbefangen, aber nicht naiv, hat ein Urvertrauen und den strengen Wunsch, ihren Ängsten nicht nachzugeben.

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Ladies in Legzira

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Unimog vor Umkehr

Sidi Ifni, das Tor zur Sahara, gilt als entspannter Ort; kurz zuvor gibt es einen Strand bei Legzira. Zwei große Torbögen, die die Natur im Laufe der Zeit geschaffen hat, ragen ins Meer. Sie sind am Strand fußläufig zu erreichen. An diesem gibt es auch eine Reihe einfacher Bars und Restaurants, die in dieser Jahreszeit um die wenigen Besucher buhlen.

Wir verzehren einen frisch gefangenen Fisch, gleiches werden im Anschluss unsere beiden Reise-Kumpaninnen tun: Mit Claudia und Sibylle waren wir in Island unterwegs, nunmehr treffen wir uns in Marokko und wollen ein paar Tage miteinander verbringen.

Kein Durchkommen nach Plage Blanche

Das Nachtlager schlagen wir auf einem der beiden Felsbögen ins Meer auf, parken mit dem Popo des Unimogs zur Brandung. Im Dunkelns dröhnt und raunt und spricht das Meer, und die Menschen hören zu.

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Euro-Flüchtige: kein Tuten, kein Blasen

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Küstenfestung in El Jadida

Kann es eine Tour mit dem Unimog ohne Panne geben? Diese offensichtlich wird es nicht, denn die Pumpe des Wassertanks leckt; und die Aussicht, dass sich mehr als hundert Liter Wasser ins Wageninnere ergießen, ist beunruhigend genug, um der Sache auf den Grund zu gehen. Also bauen wir die Pumpe aus und versuchen, sie unfachmännisch mit Silikon zu ummanteln – mit moderatem Erfolg. Von jetzt an steht die Pumpe im Deckel einer Salatschlüssel als Auffangbecken; einmal am Tag wird dieses mit einem Wischlappen entleert. Geht doch.

In Asilah schlendern wir durch die Gassen der künstlerisch gestalten Altstadt, den Markt in den umliegenden Straßen und essen bei Wolkenbrüchen zu Abend in einem Straßen-Restaurant eine üppige Fisch-Platte. Unsere Weiterfahrt am nächsten Morgen führt uns durch ein großes Hafengebiet mit angeschlossenen Fabriken und Chemieanlagen, die wie Gefängnisse ummauert und mit Wachtürmen versehen sind.

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Gasse in der Cité Portugaise

In El Jadida landen wir auf einem großen, leeren Campingplatz und unternehmen einen Nachmittagsspaziergang in die Stadt; laufen in der Altstadt umher und sehen zahllosen Buben beim Kicken zu.

El Jadida, immerhin ist die alte Cité Portugaise UNESCO-Weltkulturerbe,  entpuppt sich außerhalb der Saison als wenig touristisch, weder in der Altstadt gibt es allzu viele Besucher, noch auf dem Markttreiben in den Straßen gegenüber. Dort geht es laut, eng, gedrängt, mit allen möglichen Garküchen, Läden und Lädchen zu. Dass wir aber außerhalb der Tourismus-Saison dort unterwegs sind und an einem Stück authentischen Alltags-Leben teilnehmen, mag man daran ermessen, dass keine Nepper, Schlepper, Bauernfänger auf uns zukommen, ebenso keine Schnorrer – sondern nur wirkliche Bettler, die ihr Glück auch bei den Einheimischen versuchen: Zu den fünf Pflichten des Moslems gehört ja, Almosen zu geben.
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Flüchtlinge nach Marokko bringen

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Unimog in Genua

Man kann in eine Gasse in Genua fahren, an deren Eingang ein Schild darauf verweist, dass der Weg nur zwei Meter breit ist. Man muss es aber nicht. Wenn man es mit einem 2,30 Meter breiten Unimog dennoch tut, weil das Lkw-(!)-Navigationssystem dahinter einen Parkplatz wähnt, sollte man sich nicht wundern, wenn es angesichts zahlloser geparkter Pkw und Roller eng wird.

So halten wir die Luft an, dass der Rahmschutz des Unimog nicht einen Domino-Effekt bei den Dutzenden eng nebeneinander stehenden Rollern auslöst. Vorbei kommen wir ohnehin nur, weil wir auf den fußbreiten Fußgängerweg mit den linken Rädern auffahren und knapp an der Mauer entlang schrappen.

Durchsuchung nach Messern

Um aus dem Schlammassel rauszukommen, fahren wir noch ein paar Meter entgegen einer Einbahnstraße – ging einfach nicht anders. So beginnt die Ankunft in Genua; schließlich finden wir einen Womo-Stellplatz gegenüber der Marina – und zahlen satte 30 Euro für die Übernachtung.

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Wohlstandsflüchtlinge in Genua

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Wir fahren in Genua mit einigen Wohlstandsflüchtlingen an Bord der italienischen Fähre nach Marokko. Ein schweizer und ein österreichisches Ehepaar entfliehen dem europäischen Wohlstand in hochausgerüsteten Offroad-Trucks aus den Produktionshallen renommierter Edelschmieden. Satte 500.000 Euro auf wuchtigen Geländereifen rollen da in den Bauch der „Excellent“.

Wir gehören letztlich auch zu denen, die Simplizität und Reduktion in der Ferne suchen, aber unser Unimog ist knapp 40 Jahre alt, dauernd defekt, die grüne Farbe blättert in breiten Placken ab, die Kratzer zeugen von vielfältigem Kontakt mit Akazien – und unsere Stoffwechselendprodukte sammeln wir in einer sehr improvisierten Trocken-Trenntoilette, die hauptsächlich aus einem Plastikmüllbeutel und Katzenstreu besteht.

Unser Fahrzeug gehört zur Low-Budget-Klasse. Und selbst damit, soviel ist klar, steht da mehr Geld auf Rädern rum als manche Berber-Familie im Atlas in ihrem ganzen Leben verdienen wird.

Dazwischen die verbeulten und hemmungslos überladenen Uralt-Sprinter der marokkanischen Händler, vornehmlich aus Italien, der Schweiz und Frankreich. Sie haben den Wohlstandsmüll der mitteleuropäischen Reich-Nationen geladen – Kinder-Fahrräder etwa, alle intakt, alle gut erhalten, aber für den Nachwuchs in der Festung Europa nicht mehr gut genug. Die Händler kaufen und klauben solcherlei zusammen, um es in ihren Heimatregionen zu verscherbeln oder die eigene weitverzweigte Familie in einer abgelegenen Region zu versorgen. Weiterlesen