Südafrika VII/IV: Die durch die Hölle fahren

Die Hölle ist gar keine. Das stellten Familien um 1900 fest und siedelten sich dort unten, weit entfernt aller damaligen Zivilisation, an. Dort unten – das bedeutete im Tal der Gamkaskloof, und dies ist eher lieblich zu nennen.

Aber das Tal erhielt den Beinamen „Die Hel“ – Afrikaans für „Die Hölle“. Ich erfuhr davon vor einigen Jahren durch einen Bericht in National Geographic, in dem der Verfasser auch die Schrecken der 48 Kilometer langen Abfahrt auf einer lausigen Bergpiste schilderte.

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„Die Hel“ ist so eine Art Klassiker, ein Punkt auf der Bucket List jedes ernsthaften Overlanders in Südafrika. Da muss man gewesen sein. Da muss man sich runter getraut haben. So wie Baviaanskloof oder Helskloofpass im Richtersveld. Alles Hölle, oder was?

In Youtube berichtete ein Solo-Reisender von dem Alptraum, den er bei der Abfahrt – speziell die letzten 5 Kilometer, genannt Elandspass, erlebte. (Wobei er eingestand, heftig Höhenangst zu haben).

Höllen-Ritt selbst für südafrikanische Eltern

Aber im südafrikanischen 4x4community-Forum wurde auch einem Vater, der mit seiner schwangeren Tochter (und deren Schwester) die Gamkaskloof runter wollte, ebenso heftig geraten, den Höllen-Ritt hinunter erst nach der Geburt anzugehen. Zu „bumpy“ sei die Strecke, das sei nichts für das Baby im Bauch der 18jährigen…

Nun sind südafrikanische Eltern häufig nicht mit Helikopter-Eltern aus dem Frankfurter Nord- oder Westend zu vergleichen. Die würden auch nicht ihren Nachwuchs hinten auf der Ladefläche des Bakkies stehend absolute Holperpisten bewältigen lassen. Aber der Vater sah es grummelnd ein.

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In der Gamkaskloof hat es vor einigen Jahren ein verheerendes Feuer gegeben – doch die Natur erholt sich davon.

Marinette Joubert würde später unten lachen und sagen: Manche kommen halt mit einem Dacia Duster – für die kann es dann schon schwierig werden. Und ich könnte ergänzen, für 110er Defender mit dem Wendekreis größer als ein Unimog sind die engen Windungen der letzten eher-drei-als-fünf Kilometer es auch.

Ein paarmal in der Haarnadelkurve zurücksetzen bleibt da nicht aus. Aber das war es dann auch schon. Nichts, was jemanden, der Baviaanskloof, Helskloof u.ä. bewältigt hat, erschüttern könnte. Ohnehin sind die ersten 35 Kilometer eine Gravelpad wie viele andere auch, und ganz überwiegend führen sie über Hochplateau oder Talsenke. Man schaut also nirgendwo einen steilen Abgrund runter.

Lekker doughnuts

Vom Porcupine Rest Camp war ich über Hinterland-Farmpisten gen Prince Albert gelangt, wo ich zur Übernachtung auf die Bushmanvalley-Campsite wenige Kilometer außerhalb des Städtchens einbog. In diesem hatte ich getankt & eingekauft, und war dabei erst von einem Bettler und dann von einem Jungen, der mir unbedingt „lekker doughnuts“ verkaufen wollte, belästigt worden.

Auf so was muss man sich in Südafrika einstellen; besonders an Tankstellen, denn die Leute vor Ort wissen natürlich, dass da immer Overlander und andere Touristen Halt machen – wie das deutsche Youngster-Doppelpärchen, das im weißen Miet-Suzuki (Erkennungszeichen: Modell, Wagenfarbe, Johannesburger license plate) sonnenbrillencool den Swartbergpass entlang gondelt.

Familienfreundliche Bushmanvalley-Campsite

Auf der Bushmanvalley-Farm gibt es eine Campsite, Chalets, einen Swimming Pool und Elektro-Geländefahrräder zum Ausleihen. Mit denen brettern dann die Jungs, jeglichen Sturz in Steine und dornenbewehrte Akazien verachtend, durch die Gegend, und ihre Eltern sind froh, ihre Ruhe zu haben. Der Rest der Blagen plärrt im/am Pool. Auf Campsite wie diesen ist also kaum mit Ruhe zu rechnen; aber was soll’s: Ist ja nur eine schnelle Übernachtung, bevor es die Hölle runtergeht.

Diese erfreut sich reger Besuche, und davon lebt die Familie Joubert auch. Die Hel ist ein bekanntes Markenzeichen, das sich manche andere Gästefarm wünscht. Nahe eines anderen touristischen Highlights – dem Swartbergpass – gelegen, und damit nicht so fern von der populären Garden Route, bietet Mutter Marinette in ihrem Shop allerhand handgemachte Leckereien. Überwiegend Süßes, wie Marmelade etwa. Demnächst wird es auch Honig geben – die Bienenkästen werden gerade im Tal verteilt aufgestellt.

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Schulgebäude mit nebenstehendem Lehrerhaus – sowie die Hinweistafel zu den Schulklassen in der „Hölle“.

Die Hel lebt auch von der Legende. Derer, die sind sich dort um 1900 ansiedelten. Da war die Welt noch eine ganz andere. Sie lebten völlig isoliert, erst 1960 erhielten sie durch Automobile und Telephon Kontakt zur Außenwelt.

Es gab einen Schullehrer fur alle Kinder dort unten, der neben dem Schulhaus wohnte. Das diente auch Versammlungen; und der Lehrer hielt auch die Begräbnis-Ansprachen: ein paar Passagen aus der Bibel und eine Würdigung der verstorbenen Person.

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Ein früheres Wohngebäude kann gemietet werden, um ein Gefühl fürs frühere Leben in der „Hölle“ zu bekommen.

Gearbeitet wurde von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang. Das hat sich bis heute nicht geändert. Auch nicht die Rückschläge: Ein verheerendes Feuer vor einigen Jahren vernichtete frisch erstellte Gebäude und Teile der Campsite. Aber auch für die Jouberts gilt: nicht unterkriegen lassen. Das gilt auch für die geplante Brandy-Destille. Marinette und ihr Mann planen die schon seit Jahren; nur kommt der beauftragte Brandy-Bastler nicht in die Gänge.

Vielleicht auch deswegen, weil sich dessen Gattin nur schwerlich vorstellen kann, jenseits allen urbanen Komforts am Ende eines 40 Kilometer langen Tals zu wohnen. Wo es mit einem Bakkie oder einem Land Rover schon zwei bis drei Stunden braucht, nur die Distanz bis zum Swartbergpass zu bewältigen. Und dann muss man sich noch entscheiden, ob man links ins etwas nähere Prince Albert oder rechts gen Oudtshoorn will. Die Jouberts fahren das einmal pro Woche.

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Campsite in der Gamkaskloof.

Ach: Auf der weitläufigen Campsite ist es total ruhig. Die Wanderinnen drüben im Chalet sind nach ihrer Tagestour in der Hitze (Respekt!) schnell still. Die Biker im anderen Haus auch. So wollen es die Bewohner hier unten auch, und so haben sie gar kein Interesse daran, den Weg zu ihnen zu erleichtern.

Er sorgt für Ruhe, und dass nur die nach unten gelangen, die die Mühen – und etwaige Ängste – auf sich nehmen. Auch das mag zum Marketing-Konzept der Hölle gehören.