Die Welt ist ein besserer Ort als man glaubt. Und vor Ort sieht es häufig anders aus als im Fernsehen. Von dieser Erfahrung berichten Fernreisende und Globetrotter durchgängig. Weltenbummler wissen viel davon zu erzählen, wie freundlich und hilfsbereit gerade die Menschen in den armen Regionen der Welt sind, wie sehr diese Menschen bereit sind, ihr wenig Hab und Gut zu teilen.
Und dass Habgier, Neid, Missgunst und Kriminalität eher in den Städten bzw. in wohlhabenderem Umfeld entstehen.
Wer in die Ferne reist und von Ort zu Ort zieht, setzt sich freilich dem Risiko des Nomaden aus – er ist mehr oder weniger alleine und dem ausgeliefert, was um ihn herum geschieht. Nomaden wiederum sind seit alters her in den Augen von Städtern bez. fest Angesiedelten eine Gefahr gewesen – Landstreicher sieht der Ortsgebundene in den frei vagbundierenden Menschen. Fernreisende freilich kommen nicht auf einen Raubzug vorbei (wie manche Beduinenstämme früher im Nahen Osten), sondern sind freundlich, friedlich und neugierig, wollen Land und Leute kennenlernen.
Wenn die Situation entgleitet
Kein Wunder also, dass Fernreisende ganz überwiegend von fantastischen Begegnungen mit freundlichen Menschen in aller Welt berichten, und dass Problemsituationen nur sehr selten auftauchen. Aber sie existieren, und aus einem kommunikativen Missverständnis kann sich schnell eine unheilvolle Dynamik entwicklen, die in eine gewalttätige Situation entgleitet.
In manchen Regionen der Welt reicht es schon aus, bei der Durchfahrt durch ein entlegenes Bergdorf ein Nutztier wie ein Huhn mit dem Geländewagen zu überfahren. Schlimmer noch: Nicht selten rennen oder werfen sich Kinder vors Fahrzeug, um zu betteln.
Krav Maga-Workshop beim Fernreisemobiltreffen
Vor diesem Hintergrund haben wir einen zweistündigen Krav Maga-Workshop auf Willy’s Fernreisemobiltreffen abgehalten. Rund 600 Fahrzeuge mit ihren Besatzungen kamen dazu in Enkirch an der Mosel zusammen – eine Art riesiges Familientreffen mit modernen wie altertümlichen und sehr eigenwilligen Weltreisemobilen; das größte seiner Art in Deutschland. Rund 50 Leute machten mit, auch wenn die Zahl sich mit der Zeit ausdünnte…
Selbstverständlich betonten wir, dass erst alle Mittel und Möglichkeiten der Kommunikation und Deeskalation ausgeschöpft sein müssen, bevor man zur physischen Selbstverteidigung greift – gleichwohl wie eine unmittelbar gegebene ernsthafte Bedrohung bzw. Gefährdung von Leib und Leben. Dies gilt immer und überall, aber umso mehr, als eine Überreaktion dazu führen kann, sich im Knast eines Landes für längere Zeit aufzuhalten, dessen Gefängnis-Standards mit denen der Bundesrepublik Deutschland nicht zu vergleich sind.
Waffen verschlimmern die Situation
Gleichermaßen ist das Mitführen von Waffen oder waffenartigen Gegenständen zu sehen – wer dem Aggressor mit Waffen schwere oder tödliche Verletzungen zufügt, hat seine Situation in der Folge dramatisch verschlechtert. Und das eigentliche Ziel der Selbstverteidigung sollte sein, den geringstmöglichen notwendigen Schaden zu verursachen und den Weg zurück zur Kommunikation und zur gütlichen Einigung eines Konfliktes wieder zu öffnen.
Wir selbst haben einmal einen Aufruhr erlebt, weil einer der Lkw’s unseres Konvois in einer engen Straße einem parkenden Fahrzeug einen Außenspiegel demoliert hatte – letztlich konnte die Aufregung mit einer Geldzahlung gelegt werden. Entweichen wäre nicht möglich gewesen – unser kleiner Fahrzeugkonvoi war vorne und hinten eingeklemmt…
Alltagsgegenstände sind Trumpf
Waffen oder waffenartige Gegenstände schaffen auch leicht Probleme bei Grenz- oder anderen Polizei- oder Militärkontrollen, die in manchen Ländern Afrikas oder Asiens an der Tagesordnung sind. An Bord eines geländegängigen Fernreisemobils (mit dem man gerne frei campiert) befinden sich aber eine Reihe von Gegenständen, deren eigentliche Zweckbestimmung mit dem Fahrzeug oder dem Reisen zu tun hat – und die sehr gut als defensive Hilfsmittel eingesetzt werden können: große Taschenlampen, Rad-Montiereisen, Brechstangen, Teleskop- oder hölzerne Wanderstöcke, Regenschirme, abschraubbare Tischbeine, einbeinige Foto-Stative, Flaggenstöcke, ganz zu schweigen von Äxten, Beilen oder Macheten (deren Einsatz aber unter das zuvor geschilderte Problem „Waffen“ fällt – besser Finger davon lassen oder nur im alleräußersten Notfall benutzen!).
Im Krav Maga sprechen wir von solcherlei Gegenständen als „common objects“, also Alltagsgegenständen, und das Training damit ist fester Bestandteil des üblichen Trainings. Dabei gehen wir immer davon aus, dass es besser ist, einen solchen Gegenstand zwischen sich und den Angreifer zu bringen, als eigene verletztliche Körperteile wie Arme und Beine.
Und so trainierten wir mit den interessierten Fernreisenden auf einer Wiese die Abwehr von Schlag- oder Stichangriffen mit Hilfe von stockartigen Gegenständen – einer brachte gar eine Kleiderstange mit! Wir waren überrascht, auf so großen Zusproch zu stoßen, und dass viele Teilnehmer ohne jegliche Krav Maga- oder Kampfsport-Vorerfahrung so intensiv und begeistert mitmachten.