Trailrunner und Hippies

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Mit der Sonne ins Bett gehen und mit ihr aufstehen, ist ein schöner Anspruch – und bei dem bleibt es auch meist; selbst wenn fürs Meditieren die Zeit zwischen und fünf Uhr quasi als Goldenen Stunde gilt. So auch am Montag: Pott Kaffee im Bett beim Lesen war mir lieber.

Wenn der Geist eine Weile gearbeitet hat, verlangt der Körper nach Betätigung und so bin ich anschließend zum Trailrun aufgebrochen – den Wanderweg von vorgestern gegen den Uhrzeigersinn, also mehr als drei Kilometer steiler Anstieg ohne die Möglichkeit sich einzulaufen… samt Rucksack mit Not-Essen & Trinken, Not-Erste Hilfe-Set, Fleece-Pulli, Regenschutz und dem universellsten und wichtigsten aller Hilfsmittel: das gute alte Palästinenser-Tuch, heute “Shemag” genannt: Schal, Kopfbedeckung, Decke, Handtuch, Mücken- und Zeckenschutz.

Trailrun zur Wasserkuppe

Auf der Wasserkuppe kurze Rast, dann abwärts zurück – und das Runterllaufen ist nicht per se leichter als das Hochlaufen. Die antagonistische Muskulatur ist überrascht, Knie und Knöchel ächzen, und während es hoch auf einem breiten Schotterweg ging, laufe ich runter auf einem steinigen, teilweise glitschigen Trampelpfad.

Am Guckaisee wieder angekommen der Höhepunkt: Schwimmen im 16 Grad kalten Wasser! Direkt mit den Lauf-, sprich: Funktionsklamotten hinein, ein paar Brustzüge, dann eine Weile Kraul, – wenn man drin ist, ist’s gar nicht so kalt – dann auf dem hölzernen Badesteg in nassen Klamotten alleine in der Sonne liegen. Alles gut.

Die digitale Technik hat ihren Preis

Auf dem Weg in die nicht allzu weit gelegene Rhön-Kommune Bischofsheim führt mich mein Lkw- und Womo-Navi, dem ich sicherheitshalber noch mal die Außenmaße meines Fahrzeuges eingegeben habe (600x230x360) zielsicher auf eine schmale Überlandstraße, die einer Baustelle endet. Und danach in die Bischofsheimer Altstadt, die zwar keinen Torbogen aufweist, wohl aber stehen die Häuser teilweise so eng, dass ich fürchte, der übers Fahrgestell herausstehende Wohnkoffer könnte die Schindeln von den Mauern kratzen…

Auch wird die Stellplatz-Suche nicht immer vom schönsten aller erreichbaren Orte geprägt – sondern auch von pragmatischen Überlegungen (Nähe zum Waschsalon) oder auch: Auf den schönen Wald-Parkplatz muss man verzichten, weil die Bäume die Solar-Panels verdecken und daher muss eine Freifläche gesucht werden, wo die Sonne voll auf das Dach des Unimog herabbrennen kann. Die digitale Technik fordert Strom!

Stille: unbezahlbar

Daher steht der Unimog nunmehr mutterseelenallein auf weiter Flur vor dem Gasthof Roth am Kreuzberg und ich genieße Sonne pur und die Aussicht. Mal sehen, ob ich einen Sonnenbrand bekomme und um wieviel Prozent die Batterien in wieviel Stunden nachgeladen sind. Der Stellplatz ist sein Geld – sechs Euro pro 24 Stunden, kein Strom, kein Wifi, keine Ent- und Versorgung – wert. Die sechs Euro werden verrechnet, wenn man im Gasthof zu Abend isst oder frühstückt.

Der Besitzer des Gasthofes (…. www.berggasthof-roth.de … ) joggt mit 5kg-Rucksack vorbei und zum Kreuzberg hoch – siehe da, ein Gleichgesinnter. Er erzählt, dass es den großen Stellplatz mit schönem Ausblick erst seit Anfang des Jahres gibt. Wir sehen einen tollen Sonnenuntergang – ohne Wind, was selten ist, wie der Besitzer betont. Kein Flirren in der Luft. Nachdem der letzte Klosterbesucher herabgefahren ist, herrscht Ruhe: “Diese Stille”, sagt er, “ist mit keinem Geld der Welt zu bezahlen”.

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Ich kehre am Dienstag Mittag zum Pfordter See zurück, mir ist nach Berg nach Wasser zumute. Dort herrscht mittlerweile – die Ferien haben begonnen – reger Bade- und Besucherbetrieb. Allerdings kein Vergleich zum Langener Waldsee etwa… Gandolf – dem Äußeren nach, was die meisten Durchschnittsbürger als “Hippie” bezeichnen würden, parkt mit seinem VW Bus immer noch an der Stelle, an der er schon vergangenen Freitag stand. Ich manövriere den Grünimog wieder neben ihn.

Zurück aus Istrien, meint er, diene ihm der Pfordter See als Eingewöhnung auf die Verhältnisse zurück in der deutschen Zivilisation. Er brauche eigentlich Weite um sich und über sich… und klappere ein paar deutsche Festivals (etwa www.tropen-tango.de) ab, bevor er sich im Herbst auf den Weg nach Portugal mache, um den Winter auf den Kanaren zu verbringen.

Was Freiheit und was Büroarbeit aus einem macht

Gandolf ist groß gewachsen, muskulös, braungebrannt, lange Haare und sorgfältig geschnittener Bart, bewegt sich drahtig und mit guter Körperspannung, aber sehr ruhig und sehr zentriert, in sich ruhend. Die Mehrzahl der Badegäste am See – keine “Hippies”, sondern “Normalos”, sind weiß, fett, unbeweglich, träge, schlaff…

Er kommt mit sehr wenig aus und ist mit wenig zufrieden. Was er braucht, ist Weite und Wärme. Kein Geld, keine Besitztümer. Keine digitaler Schnickschnack, keine Kompensation durch die letzten Gimmicks und Moden. Selbst der VW LT ist ihm beinahe zu viel, meint er.

Ich kraule 500 Meter im See. Wenn ich ein role model hier am See suchen würde, wäre es der “Hippie”.