Costa Vicentina: von Klippen und Stränden

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„Bridge over troubled water“

Genug der Städte! Nach Santiago de Compostela, Ourense, Porto und Lissabon nun raus dahin, wo wir wirklich hinwollen als frisch gebackene Wildnispädagogen & Coyote Mentoren – in die Natur!

Von Lissabon ging es über Setubal gen Santiago do Cacem, vorbei an der an sich beeindruckenden Lagune von Santo André – zu schlecht das Wetter, um sie genießen zu können, und zu groß die Hoffnung, es könne mit jedem Kilometer weiter südlich besser werden.

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An der Ilha do Pessegueiro

Südlich der Vasco-da-Gama-Stadt Sines wollten wir einen Platz finden – angeregt von anderen Dauer-Reisenden und/oder Digitalen Nomaden, die über sich, ihre Fahrzeuge und ihre Standorte via Instagram, Facebook oder eigenen Blogs verhalten Auskunft geben. Denn es gibt eine Art “Kodex”, nicht die GPS-Koordinaten schöner Stellplätze bekannt zu geben – zu häufig kommt es vor, dass alsbald Horden von Weißware-Wohnmobilen mit Spießbürgern aller Länder am Steuer und Satellitenschüsseln auf dem Dach einfallen und die bunten, lockeren Menschen in umgebauten farbenfrohen Bussen, Lkws und auch Unimogs vertreiben.

Man ist also angehalten, mit vagen Angaben auszukommen, anhand von Satellitenbildern u.ä. vor Ort zu navigieren und eben selbst zu entdecken und zu erforschen, welcher Weg wo hinführt und ob an dessen Ende eine Überraschung lauert… kann eine Enttäuschung sein oder die Umkehr, weil man zu hoch, zu breit für den Weg ist; oder Glück zu haben und allein an einem wundervollen Strand zu stehen.

Uns verschlug es schließlich am 5. Januar nach der Ilha do Pessegueiro, nahe einer alten Seefestung und einem einsamen, nahezu leeren Strand-Restaurant, in dem wir abends darauf einen superben Meeresfrüchte-Eintopf genießen sollten. Geschützt im Rücken von Felsen und dem Kastell, mitten in den alten Laufgängen , gingen wir vor Anker. Unimog-Schnauze und Blick gen Meer zu gerichtet.

Dort blieben wir einfach. Man kann auch ziemlich viel damit zu tun haben, nichts weiter zu tun zu haben. Bzw. nichts weiter zu tun als im Hier & Jetzt und den Elementen zu sein.

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Beate mit „Paratrooper“-MTB

Aber ganz ohne Aktivität geht’s nicht – immerhin hatten wir unsere erst kürzlich erworbenen Klapp-Mountainbikes an Bord, die wir zum ersten Mal on tour dabei hatten und die einer Erprobungsfahrt harrten. Die hatte es dann in sich! Rund 32 Kilometer hin und zurück nach Vila Nova de Milfontes, und das in den Dünen, im Gestrüpp, selbstverständlich immer gegen den Wind… Da wurden die Beine schwer. Passagen im tiefen Sand mussten wir schieben.

Also gönnten wir uns einen Erholungstag, bevor wir – letztlich müssen wir Ende des Monats wieder in zu Hause sein – nach drei Tagen schweren Herzens aufbrachen, um einen Abstecher ins Landesinnere zu unternehmen: Bekannte von mir haben sich dort ein Haus samt 47 Hektar Land gekauft, in der Nähe von Sao Teotónio, und sind dort vor vier Monaten hingezogen.

Aussteiger wider Willen

Auch bei denen Ausstieg aus dem “normalen” Leben – er früher Pilot, sie Stewardess einer deutschen Fluglinie und wegen unterschiedlicher Krankheiten (die mit dem Beruf eng zusammenhängen) in verhältnismäßig jungen Jahren ausgeschieden. Jetzt bauen sie sich in einer nahezu reinen Umgebung – keine Luftverschmutzung, keine Landwirtschaft, keine Schadstoffeinträge, keine Stromtrassen – ein neues Leben mit ihren beiden kleinen Töchtern auf (die sogar in eine Art Waldorfkindergarten gehen).

Zum Grundstück führen zwei abenteuerliche Wege, die nur mit Geländefahrzeugen bewältigt werden können – einer führt durch einen kleinen Fluss, der andere enge und zugewachsene Schotter-Erde-Serpentinen zwei Kilometer den Hang hinab. Weg Nummer eins schied aus – der Flusslauf wäre für den Unimog leicht zu bewältigen gewesen, nicht aber der zu niedrig hängende dicke Ast eines mächtigen Baumes.

Kriechgang statt Flussfahrt

Schwachpunkt des Unimogs ist seine Höhe von 3,60 Metern – oder vielmehr die auf dem Dach liegenden Solarmodule, die uns quasi Strom-autark machen (unter der Voraussetzung, ressourcensparend zu agieren und dass nach zwei, drei Tagen dichter Wolkendecke mal wieder ein bisschen Sonne scheint). Und die Solarmodule bzw. deren Verkabelung mögen es nicht, wenn sie gegen einen Ast (oder eine niedrige Brücke) geknallt werden…

Also Allrad-Antrieb angeschaltet und in einem der Kriechgänge den Berg hinab; wegen des Regens war der Weg schlammig und aufgeweicht – besser wenn die 7,5 Unimog-Tonnen nicht ins Rutschen kommen… Nach einigen Minuten Luftanhaltens empfing uns dann ein wunderschönes Haus und die Gastgeber – die diese Wege ziemlich locker mit ihren Pick-Ups und Geländewagen bewältigen können.

Kulisse für Portugal-Western

Wenn es Portugal-Western gäbe, würden sie wohl dort gedreht worden sein – Pferde auf der Weide, Bäume, Büsche, Fluss, umgebende Hänge und ein weiter, weiter Blick ins Ferne… ein Landhaus mit Nebengebäuden, teilweise Ruinen.

Tags darauf zog es uns weiter; Regen drohte den Serpentinen-Weg, den wir nun wieder mit all dem Fahrzeuggewicht wieder hinauf mussten, aufzuweichen. Und obwohl der Unimog ein Arbeitspferd und Klettermaxe ist, der seinesgleichen sucht, wollte ich kein Risiko eingehen.

Wilde Wogen an der Costa Vicentina

Zurück an die Küste, weiter gen Süden: Aljezur hieß die nächste Destination, genauer die Strände und Klippen bei Bordeira und Carrapateira, die gerne von Surfern (auch um diese Jahreszeit!) und anderen bunten Menschen in Lkw- & Bus-Wohnmobilen besucht werden. Auf dem Weg dahin Zwischenstopp und –Übernachtung in Arrifana, wo wir abermals einen fantastischen Fisch- & Meeresfrüchteeintopf im Restaurant “o Paulo” aßen – besonders in Erinnerung ist uns aber obendrein der sehr amüsante Ober geblieben, wegen dem alleine wir gerne noch einmal Gast sein würden.

Oberhalb einer Klippe stellten wir den Unimog ab – ein weiter Blick auf die wellenumtosten Kliffs der Steilküste und verbrachten den restlichen Tag nur mit Betrachten und Bewundern der schäumenden Wogen, der aufspritzenden Gischt, des Rauschen und Fauchens und der kleinen und großen Meerwasser-Geysire, wenn das Wasser in Kavernen und senkrechte Kamine im Fels schoss und sprühend austrat…

Anderntags holten wir die Salomon Speedcross aus dem Schuhschrank und liefen den Steilküste acht Kilometer als Mischung zwischen Trailrun und dem, was ich seit unserer Wildnispädagogik einen Coyote Run nenne: Bei letzterem läuft man eher nach Art von jagenden Buschmännern mal schneller, mal langsamer, klettert, kriecht und schleicht auch mal, verharrt gelegentlich, saugt die Umgebung ein, untersucht Fährten und Spuren von Tieren, hat meist einen kleinen, körpernah sitzenden Rucksack mit Trinkschlauch und einigen, wenigen Outdoor-Utensilien dabei.

So brauchten wir hin und zurück rund eine Stunde. In der Nacht rüttelte der Wind am Fahrzeug, das exponiert hoch auf den Klippen stand; er heulte ein Gutenachtlied und ließ den Wohnkoffer wie eine Babywiege schaukeln…

Dann, nach zwei Tagen bei Carrapeiteira, wieder ein Aufbruch. Richtung Monchique, einem Städtchen in den Bergen, nur 20 Kilometer oberhalb bekannter Algarve-Strände.