
Da steht er nun, der große Mercedes-Lkw; Kim ist knapp zwei Meter groß, und dementsprechend die Wohnkabine hoch – er wollte stehen können. Sie ist auch sehr lang, weil Kim und Susi alles daheim für sie verkauft haben und darin leben. Auf der dunkelblauen Lackierung ihrer rollenden Wohnung prangt ein vergnügter Pottwal.
Nur: Dem Wal ist nicht zum Lachen zumute, er ist gestrandet. Er steht auf einem rustikalen Campingplatz nördlich von Kapstadt, dessen einziger Charme darin besteht, dass andere Overlander dort Zwischenstopp machen. Am unteren Ende des Kontinents angekommen, weiß seine Besatzung nicht mehr weiter.
Vielleicht hätten Kim und Susi sich besser früher informieren sollen? Das ist jetzt müßig, und bringt auch nicht in irgendeine Richtung weiter. Denn wenn es mit einem Schiff nicht weiter geht zu einem südamerikanischen Hafen, dann geht es nur wieder den Weg zurück. Und den scheuen Kim und vor allem Susi wie die Pest.
Dabei hatte alles gut begonnen, natürlich. Alles verkauft, neues Leben, immer unterwegs, das neue Heim ein ausgebauter Mercedes-Lkw, mit Wohnkabine huckepack. Den sympathischen Pottwal auf die Flanken gepinselt. Wie man sich das Vanlife vorstellt.
Quer durch Afrika
Sie waren Neulinge in diesem freien Leben auf der Straße und dachten, eine Test-Tour für Mensch & Material wäre sinnvoll, bevor sie zu ihrem Wunschziel Kanada ablegen würden. Von Europa aus gesehen, ist halt Marokko der nächstgelegene Play- & Training Ground, und so zog es sie gen Süden; anstatt gen Norden, Norwegen vielleicht. Hätte ja Kanada eher entsprochen.
Sie verbrachten drei gute Monate in Marokko, und so kam die energische und exaltierte Susi auf die Idee, in Afrika weiterzufahren. Wenn wir mal in Kanada sind, führt kein Weg so schnell zurück nach Afrika, dachte sie… also wenn wir schon mal da sind, warum dann nicht auf dem Kontinent bleiben, runter in den Süden fahren und von dort aus gen Amerika verschiffen?
Spießrutenlaufen statt freudigem Overlanding
Kim hatte dem nichts entgegengesetzt, und somit begann ein mehrmonatiger Alptraum. Mauretanien war easy, aber in den zentralafrikanischen Ländern tobte der Terror an jeder Straßenkreuzung. Echte & falsche Polizisten, Bettler & Gauner, Gesocks & Gesindel um- und belagerten den Wal-Lkw und hielten die Hände auf.
Visa-Behörden und Ämter verhielten sich nicht weniger dreist. Ab und zu mal schwang Susi im wahrsten Sinne des Wortes den Knüppel aus dem Fahrzeugfenster, um aufdringliche Menschen zu vertreiben. Auch beim Kampieren kam es immer wieder zu Zwischenfällen. Als sie in Namibia ankamen, waren sie mit den Nerven runter.
Trucks are nothing but pain
Das südliche Afrika ist kein Ort für große Fahrzeuge. Zumindest unter touristischen Gesichtspunkten. Man darf nicht in die Nationalparks, für die Fahrspuren zu besonders schönen Plätzen sind Lkw’s zu groß, zu schwer, zu breit, zu hoch. Eine Vielzahl von destinations erreicht man mit Lkw’s nicht. Kim & Susi kannten wohl diese Aussage eines Afrikafahrers nicht:
Trucks are nothing but a pain. Trust me I’ve been driving overland safari trucks all over Africa for 25 years full time. I still own two of the bastards and go on a trip with clients occasionally. When I want to have fun on my private safari trips I take the old land rover double cab pick up with a tarp on the back and a pop up ground tent to sleep in. Anything bigger is just ballast. More costs, slower, restricted for all kinds of reasons and having more space means you drag tons of crap around you will never need but have to clean and maintain all the time.
Obendrein haben sie noch zwei Hunde. Damit ist ihnen der Zugang zu vielen Campingplätzen, egal ob in Nationalparks oder auf Gästefarmen, sowieso verwehrt: no pets allowed.
Der Fixer und die Ladungssicherung
Und so stehen sie, die beiden Hunde und der Wal-Mercedes nunmehr auf dem Camping-Areal von „African Overlanders“ nördlich von Kapstadt, weil Besitzer Duncan kein Problem mit Hunden hat. Außerdem ist er so was wie ein „Fixer“ – er löst Probleme von Travellern und Overlandern. Speziell solche rund um die Verschiffung von Kapstadt aus woandershin. Außerdem kann man bei ihm Reisefahrzeuge zwischenlagern, service & maintenance included.
Nur: Der Warenstrom der Weltwirtschaft fließt nach Kapstadt, aber nicht so sehr von Kapstadt weg. Praktisch bedeutet das, dass nicht so viele Schiffe in Richtung Südamerika ablegen, wo Kim und Susi jetzt hinwollen, um irgendwann in Kanada anzukommen. Und auf die wenigen Schiffe, die das tun, passt der große, breite, schwere Lkw nicht. Und wenn Duncan doch eins findet, steht der Mercedes irgendwo auf dem Oberdeck, und mit gepressten Lippen knurrt Kim etwas von „Ladungssicherung“… ja, im Sturm gehen schon mal Container über Bord, und so wohl auch ein Lkw, der oben draufsteht.
Alles über Bord…
Abgesehen davon tut ihm die salzige Luft bei wochenlanger Fahrt auf hoher See nicht gut. Und wer fährt das Fahrzeug rauf und wieder runter? Finden sie es so vor, wie sie es verlassen haben? Abgesehen davon hat der Fixer noch nichts gefixt.
Susi ist verzweifelt. Der Lkw ist alles, was sie besitzen; ihre Erlöse aus dem Ausverkauf des früheren Lebens stecken da drin. Geht er über Bord, ist alles verloren. Nein, meint Susi, während sie sich schüttelt, dann lieber die Terror-Tour noch einmal: den ganzen Weg zurück.
…oder Terror-Tour?
Kims Vorschlag, alleine zu fahren und Susi mit den Hunden zurück fliegen zu lassen, wischt sie beiseite. Nein, die Hunde kommen nicht in so eine Box im dunkeln Bauch des Flugzeugs für zwölf und mehr Stunden! Schließlich haben sie ja jetzt Erfahrung und sind vielleicht nicht mehr so schockiert, wie auf dem Hinweg.
Mit der gewonnenen Routine schaffen sie es vielleicht auf dem schnellst möglichen Weg. Würde aber immer noch Monate dauern. Aber dann könnten sie von Europa aus nach Kanada verschiffen. Kim und Susi sitzen mit den beiden Hunden vor ihrem „Wal“, und schweigen.
