That’s Iceland!

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Im Gebiet um Pörsmörk.

Von unserem Übernachtungsplatz nahe eines flachen Flussbettes aus gehen wir einen Canyon mit Bachlauf hoch, um einen kleinen, versteckten Wasserfall zu erreichen. Über den mäandernden Bach führt keine Brücke, wir müssen einen Weg aus Steinen suchen – was sich als schwierig erweist. Leider ist auch dieser Ort kein Geheimtipp mehr, müssen wir erfahren, als eine Busladung Island-Reisender uns folgt und deren Fahrer in Gummistiefeln beginnt, seinen Gästen einen Weg über das kalte Nass zu bauen.

Immerhin lernen wir dabei einen Trick: Statt eine “Brücke” hoch zu bauen, trägt er an geeigneter Stelle ein paar aus dem Wasser ragende Brocken ab, so dass ein Abfluss entsteht. Damit ragen nach einer Weile ein paar andere Brocken umso mehr aus dem Wasser – und so beginnt sich eine “”Brücke” zu formen. Beate und ich haben freilich derweil unseren eigenen Übergang weiter unten gesucht und sind am Abhang entlang auf der anderen Bachseite hochgekrabbelt.

Auf einer Campsite einige Pisten-Kilometer weiter halten wir – Zelte verlieren sich zwischen Bäumen und Sträuchern, Offroad-Busse und erstaunliche “Super-Jeeps” mit ausklappenden Trittsteigen für (Vorsicht! Klischee-Bildung!) dicke US-amerikanische Touristen parken vor der Hütte – auch erstaunlich, dass mancher Fuß-Reisende Lade-Kapazitäten für den Bier-Vorrat hat, der im Bächlein gekühlt wird. Beate und ich wiederum haben als proteinreiches, fettarmes und nahezu kohlenhydratloses Energiefutter für unterwegs den Trockenfisch entdeckt, der sich allerbestens in die von uns praktizierte Ernährungsweise nach der “Warrior Diet” integrieren lässt.

Sich vegan bzw. konsequent vegetarisch zu ernähren, ist schon im heimischen Alltag aufwändig, aber auf Reisen mit eingeschränkten Bordmitteln kaum praktizierbar, wenn es gleichzeitig Zwänge in punkto Zeit- und Zielplanung gibt, Einschränkungen bei den Einkaufsmöglichkeiten und Ansprüche an die Energiebereitstellung. Der Trockenfisch dient uns als Snack bei einer kleinen Wanderung rund um einen naheliegenden Berg. Immerhin: Im Bier sind auch ziemlich viel Mineralstoffe. Zwinkerndes Smiley

Dem Abstecher ins Raue folgt die Rückkehr in die Ringstraßen-Asphaltzivilisation, von der wir jetzt profitieren wollen: In Hvollsvöllur suchen wir ein Schwimmbad mit Hot Pools, Dampfbad und Duschen auf. Nicht, dass wir uns unterwegs nicht waschen würden – jeden Morgen gibt es eine Katzenwäsche mit Wasser und Waschlappen samt Rasur. Aber einmal pro Woche richtig duschen tut auch gut. Unser Fahrzeug verfügt durchaus über eine Außendusche – die aber mehr für südländische Umgebungstemperaturen gedacht ist.

Und so hat Offroad-Reisen mit 4×4-Fahrzeug auch etwas mit logistischer Planung der Versorgungsstationen zu tun: Manchmal richtet man die Route auch danach aus, ob es Waschmöglichkeiten für Menschen oder Klamotten gibt. Oder ein Restaurant, wo man sich am Buffet mal den Magen vollschlagen kann (auch wenn nichts über ein einfaches, derbes Essen aus der Fahrzeugküche geht, wenn es abends an einsamer Stelle in berauschender Umgebung vertilgt wird).

Unromantische Übernachtungsplätze

Am heutigen Vormittag habe ich mich auf die Suche nach Ersatz für die gerissene Gaspedalfeder gemacht. Beim Reisen mit einem historischen Fahrzeug – unser mehr als 30 Jahre alter Unimog trägt ein Kfz-Schild mit “H”-Markierung – gehört ein Zeitbudget für Pflege, Wartung und Reparatur einfach dazu. Genauso wie das Abspülen nach dem Kochen…

Wir haben nahe von Schwimmbad und Restaurant auf in einem Gewerbegebiet gegenüber vom Saga-Museum (das wir auch besuchen) übernachtet. Unromantische, aber praktische Orte gehören zu einer solchen Tour ebenso dazu. Aber: Auf der anderen Straßenseite reiht sich eine Jeep- und Autowerkstatt an die andere – wäre doch gelacht, wenn dort nicht jemand ein passendes Ersatzteil hätte.

Isländische Hilfsbereitschaft

Beate malt auf ihrem iPad eine Zeichnung der gerissenen Feder; die meisten Isländer sprechen gut englisch – das zusammen sollte zur Verständigung reichen. Von “Southeastadventures” marschiere ich weiter zu einer anderen Garage, von dort zu einer weiteren – dort findet sich ein überaus hilfsbereiter Mann, der einen ausgebauten alten Mercedes-Bus sein eigen nennt und der mich kurzerhand mit zu sich nach Hause fährt. Dort stöbert er in Ersatzteilkisten, sein alter Benz-Bus weist einen ähnlichen Motor wie unser Unimog auf. Gut, wenn man die Typenbezeichnungen und Motorversionen seines Fahrzeuges parat hat… Eine halbwegs passende Feder findet er aber nicht; das ist erst in der vierten Garage, die ich im Anschluss an diese Episode aufsuche, der Fall.

Die Kabelbinder, die den Kühlmittel-Überlaufbehälter am Motor befestigt haben, haben sich mittlerweile ins isländische Nirgendwo absentiert. Der freundliche Mechaniker von Southeastadventures gibt mir ein paar Schrauben & Muttern (“Hey man, help yourself!”) und überlässt mir dann seine Autowerkstatt, damit ich wieder Luft in die Geländereifen des Unimog zu pumpen (wir werden ab jetzt einige Kilometer Asphalt fahren, der Reifendruck muss wieder erhöht werden). Seine Kollegen sind in der Mittagspause, er muss dringend woanders hin; wenn ich fertig wäre, solle ich nicht vergessen, die Garagentore zuzuziehen. That’s Iceland!

Rückholfeder und Reykjavik

Wir ergänzen die Nahrungsvorräte im Supermarkt, bei der Weiterfahrt reißt prompt die andere, also Rückholfeder des Gaspedals; mit einem flugs während der Fahrt angebundenen USB-Kabel eines iPhones ziehe ich das Pedal immer wieder zurück; in einer Parkbucht reparieren wir die Feder halbwegs, indem wir sie versuchen, lang zu ziehen und einen Haken zu formen, der am Gasgestänge hält. Dabei verbrenne ich mir am noch heißen Motor etwas den Unterarm…

Schließlich erreichen wir Reykjavik, gönnen uns eine Rundumsicht, stellen die Fahrzeuge zur Übernachtung an der Universität ab und brechen zum nächtlichen Kneipenbummel auf. Der ist davon geprägt, dass das Essen viel zu spät kommt, kalt und teuer ist. Aber sich unter die erstaunlich leicht bekleideten Nachtschwärmer zu mischen, hat trotzdem Spaß gemacht. Unterwegs habe ich die vielleicht beste Chuck Norris-Kneipe der Welt gesehen – da muss ich irgendwann mal wieder hin.