Ich war dabei: Anfang der 90er Jahre wuchs das Internet aus dem zuvor militärischen, dann wissenschaftlichen Kontext heraus und wurde populär. Das World Wide Web als grafische Benutzeranwendung des Internet war nur einer von mehreren Internet-Diensten, andere waren die Diskussionsforen des Usenet oder E-Mail. Marc Andreesen baute einen Browser namens Mosaic, mit dem man in den überwiegend HTML-basierten Web-Seiten blätterte; gefolgt vom Netscape Navigator, der lange Zeit dominant blieb.
Blogs gab es noch nicht, in den frühen Phase des populären Internets aber Online Diaries. Zu deren Pflege musste man HTML und FTP beherrschen – keine Raketenwissenschaft, aber für den durchschnittlichen Redakteur einer deutschen Tageszeitung schon zuviel des „Programmierens“ (ich fand es übertrieben, HTML-Code zu schreiben als programmieren zu bezeichnen).
Das Blog – weil das Weblog(buch)
Insofern war Blogsoftware wie WordPress ein Durchbruch; für mich bleibt es seit damals das Blog, weil der Begriff auf Weblog zurück geht – also das Logbuch des Surfens auf den Wellen des Datenozeans – und damals war es auch nicht mehr als mit dem Weblogbuch zu berichten, was man bei diesen Erkundungsfahrten gesehen hatte. Ganz in der Tradition der klassischen Seefahrer-Logbücher. „Le Sofa Blogger“ war eines der ersten Blogs, das das sinnierende Flanieren im Web zum Inhalt hatte.
Print-Redakteure – ich gestaltete die Online-Auftritte zweier deutscher Tageszeitungen bei ihren ersten vorsichtigen Schritten ins WWW maßgeblich mit – pflegten zu jener Zeit noch davon zu sprechen, dass das Internet ähnlich wie BTX wieder nach einem ersten kurzen Hype wieder in der Versenkung verschwinden werde.
Digitalcourage in der virtuellen Welt
Aber: Damals war das Internet aufgrund seiner grundsätzlich anarchischen Struktur ein Heilsversprechen auf den „free flow of information“, auf demokratischen Informationsaustausch und freie, nicht-hierarchische Kommunikation & Diskussion. Mittlerweile haben Regierungsinstitutionen und Datenkraken – Google war anfangs eine vielversprechende neue Suchmaschine, die mit einem neuen Ansatz („PageRank“) bessere Resultate lieferte als Altavista, Lycos oder andere Platzhirsche – den Laden nahezu übernommen.
Nahezu. Das Internet ist immer eine Herzensangelegenheit gewesen, und daher gilt es, seinen potenziell anarchischen, herrschaftsfreien Charakter zu verteidigen. Z.B., indem man all die Alternativen zu den Datenkrakensystemen nutzt, „digitale Mündigkeit“ und „Digitalcourage“ pflegt. Dazu demnächst mehr.