Selbstverteidigung im digitale Leben, Pt. II

Im analogen Leben pflegen wir – vom Blickwinkel des Krav Maga aus gesehen – eine wachsame, aber nicht paranoide Haltung gegenüber eventuellen Über- und Angriffen. Und dabei dreht es sich ja nicht immer um Gewalt-Akte, sondern auch darum, auf ein Lock-Angebot hereinzufallen, einen schlechten Vertrag zu unterschreiben, von einem Betrüger über den Tisch gezogen zu werden, einem Taschendiebstahl zum Opfer zu fallen u.a.m.

Kurzum: sich nicht für dumm verkaufen zu lassen. Wieso also sollte man eine ähnliche Wachsamkeit nicht auch im digitalen Leben an den Tag legen? All die vorstehend genannten Beispiele passieren tagtäglich im digitalen Leben; und es sind nicht Hacker, die die Hauptrolle spielen, sondern Amazon, Apple, Facebook und Google etc. Das bekümmert mich, weil ich all diese Firmen noch aus ihren Anfangszeiten kenne (Google-Slogan: „Do no evil“).

Online Diaries statt Blogs

Denn ich war dabei: Anfang der 90er Jahre wuchs das Internet aus dem zuvor militärischen, dann wissenschaftlichen Kontext heraus und wurde populär. Das World Wide Web als grafische Benutzeranwendung des Internet war nur einer von mehreren Internet-Diensten, andere waren die Diskussionsforen des Usenet oder E-Mail. Jemand namens Marc Andreesen baute einen Browser namens Mosaic, mit dem man in den überwiegend HTML-basierten Web-Seiten blätterte; gefolgt vom Netscape Navigator, der lange Zeit dominant blieb.

Blogs gab es noch nicht, in den frühen Phase des populären Internets aber Online Diaries. Zu deren Pflege musste man HTML und FTP beherrschen – keine Raketenwissenschaft, aber für den durchschnittlichen Redakteur einer deutschen Tageszeitung schon zu viel des „Programmierens“ (ich fand es übertrieben, HTML-Code zu schreiben als programmieren zu bezeichnen).

Das – nicht der – Weblogbuch

Insofern war Blogsoftware wie WordPress ein Durchbruch; für mich bleibt es seit damals das Blog, weil der Begriff auf Weblog zurück geht – also das Logbuch des Surfens auf den Wellen des Datenozeans – und damals war es auch nicht mehr als mit dem Weblogbuch zu berichten, was man bei diesen Erkundungsfahrten gesehen hatte. Ganz in der Tradition der klassischen Seefahrer-Logbücher. „Le Sofa Blogger“ war eines der ersten Blogs, das das sinnierende Flanieren im Web zum Inhalt hatte. <Insofern also das, nicht der Blog; zumindest für mich.>

Print-Redakteure – ich gestaltete in meinem ersten Leben rund 15 Jahre lang die Online-Auftritte zweier deutscher Tageszeitungen bei ihren ersten vorsichtigen Schritten ins WWW maßgeblich mit – pflegten zu jener Zeit noch davon zu sprechen, dass das Internet ähnlich wie BTX wieder nach einem ersten kurzen Hype wieder in der Versenkung verschwinden werde. <no comment needed>

Herzensangelegenheit Internet

Aber: Damals war das Internet aufgrund seiner grundsätzlich anarchischen Struktur ein Heilsversprechen auf den „free flow of information“, auf demokratischen Informationsaustausch und freie, nicht-hierarchische Kommunikation & Diskussion. Mittlerweile haben Regierungsinstitutionen und Datenkraken (Google war anfangs eine vielversprechende neue Suchmaschine, die mit einem neuen Ansatz – „PageRank“ – bessere Resultate lieferte als Altavista, Lycos oder andere Platzhirsche) den Laden nahezu übernommen.

Nahezu. Das Internet ist aber auch in meinem zweiten (Krav Maga Center Frankfurt/Rhein-Main) und nunmehr dritten Leben (roninkravmaga.de) – immer eine Herzensangelegenheit geblieben, und gehört es meiner Meinung zur „digitalen Selbstverteidigung“ (d.h., Selbstbestimmung über das eigene Leben), seinen potenziell anarchischen, herrschaftsfreien Charakter zu verteidigen. Z.B., indem man all die Alternativen zu den Datenkrakensystemen nutzt, „digitale Mündigkeit“ und „Digitalcourage“ pflegt. Darum geht’s in den folgenden Beiträgen zum Thema. Stay tuned.