Verloren in der Weite

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Sand-Wüste

Manchmal passieren Ungereimtheiten. Es klopft morgens an der Tür, und jemand in einem blauen Marinepullover und blauer Stoffhose steht davor und meint, er wäre Polizist – er wolle Reisepass und Fahrzeugpapiere sehen. Das ist in Marokko gang und gäbe, und besonders in der Westsahara.

Südlich von Tan-Tan wird die Kontrolldichte durch Polizei und Militär deutlich größer, wir stehen in Foum el-Oued,also am Meer nahe Laayoune, und der Westsaharakonflikt verkörpert sich in Uniformträgern. Dieser hier weist sich nicht aus, er sieht nicht nach Surete National oder Gendarmerie Royale aus. Immerhin spricht er etwas englisch.

Reisen ist eine Gedulds-Übung

In Deutschland würde ich ihn nach einem Dienstausweis fragen. In fernen Ländern ist man auf das Wohlwollen der örtlichen Behörden angewiesen, man will sich das nicht leichtfertig verscherzen. Man mag sein Recht bekommen, zumal die Ordnungskräfte in Marokko angewiesen sind, die europäischen Touristen zuvorkommend zu behandeln. Aber Gezeter um Formalia kostet Nerven, und viel schlimmer: Zeit.

Der Mann in Blau ist freundlich, er bemängelt das Fehlen einer Polizei-Nummer in Beates Reisepass, die in meinem über dem Einreisestempel eingetragen ist. Ich weiß – tatsächlich – von nix, und schließlich deutet er auf auf eine handschriftlich eingetragene Ziffernfolge, die aber eigentlich über Einreisestempeln anderer arabischer Länder, die wir bereist haben, steht.

Das Rätsel um die Polizei-Nummer

Ich habe das Gefühl, dass er unbedingt eine solche Polizei-Nummer braucht und sich deswegen dafür entscheidet, diese – ganz offenkundig nicht zu unserer diesjährigen Einreise gehörende – Nummer in seine Notizkladde einträgt. Damit sind alle zufrieden, und er geht. Niemals vorher und nachher hat irgendeiner der zahlreichen Uniformträger jemals wieder nach dieser Nummer gefragt. Auch nicht bei der Ausreise.

Nach unserem Strand- und Ruhetag (siehe Beitrag “Der Weg in die Westsahara”) steuern wir den Unimog mitten in die Wüste der nördlichen Westsahara, Richtung Tah. Wir folgen einer dünnen Piste, die immer wieder von hohen Sanddünen unterbrochen wird, so dass weite Umfahrungen die Folge sind.

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Geröll-Sand-Wüste

Wir sehen jemandem an einem Brunnen sitzen und lassen uns die Richtung gen Tah zeigen. Auf dem Weg dorthin verliert sich die Piste immer wieder im Nichts. 20-25 Kilometer geht das so. Die Piste ist immer wieder schlecht zu erkennen und vom Winde und dem Sande verweht. Beifahrer (“Navigator”) und Fahrer (“Pilot”) arbeiten eng zusammen. Der Grünimog droht manchmal einzusinken – oder kommt einem das nur so vor?

Der Puls schlägt höher… schließlich bleiben wir stehen – und neben uns ein französischer Rallye-Toyota. Die beiden Herren bewundern unser Auto, laden uns zum Bier ein (dankend abgelehnt) und rufen uns ein „Good Job!“ zu. Ein bisschen stolz sind wir da schon.

Spontan beschließen wir, um die nächste große Düne zu kurven und einen Standplatz zu suchen, den wir neben der Düne auch finden. Da sind wir nun, in der Wüste, weit und breit nur Geröll und Sanddünen. Bis Tah und die Teerstraße sind es nur noch acht Kilometer – aber es fühlt sich schon mächtig weit und allein an.

“Die Wüste packt mehr als jede andere Landschaft auf der Erde. Der Neuling mag zu ihr keine andere Beziehung als Furcht zu gewinnen. Er sieht sich verloren in der Weite und spürt den schrecklichen Würgegriff der Wüste.”

Das schrieb der Wüstenforscher Gabriel 1961 in seinem Buch “Die Wüsten der Erde”. Es ist völlig still. Wir bleiben zwei Tage bzw. übernachten zweimal: A day in the desert.