Aus… Lüderitz

Hudson-Wrack am Eingang der Geisterschlucht
Hudson-Wrack am Eingang der Geisterschlucht bei Klein-Aus

Der Weg zur Fish River Lodge ist one-way – also geht es gen Lüderitz erst einmal den gleichen gewundenen 4×4-Trail zurück, auf dem wir zum Canyonrand gelangt sind. Nach rund acht Kilometern biegen wir links ab auf die D463, eine breite Schotterpiste – solcherlei Strecken gelten in Namibia schon als gut ausgebaute Landstraße. Auf ihr rollen wir durch dramatische Landschaft nach Norden.

Wie immer ist Aufmerksamkeit beim Fahren angebracht, auch wenn man weithin allein zu sein scheint: Das Reifenmaterial wird auf Schotter belastet, ein platter Pneu ist jederzeit möglich. Außerdem steigt die Herzfrequenz vor Kuppen ein wenig – wir sind mittlerweile routiniert & souverän im Linksverkehr unterwegs, die Einheimischen sind es sowieso; aber immer wieder gibt es Frontalcrashs, weil unerfahrene Touristen viel zu schnell unterwegs sind, obendrein auf der verkehrten Fahrbahnseite.

Die Einheimischen wissen auch, wann zu welcher Jahreszeit welche Wildwechsel anstehen, und in welcher Beschaffenheit die Piste derzeit ist, wo sie mehr oder weniger ausgewaschen ist, wo sie mehr oder weniger Wellblech und Abrisskanten aufweist, wie die Kurve hinter einer unüberschaubaren Kuppe verläuft, und wann der „Grader“ das letzte Mal den Schotter planiert hat.

Daher grenzt es an ein Himmelfahrtskommando, einem Einheimischen in dessen teilweise halsbrecherisch anmutenden Tempo hinterher zu brettern nach dem Motto „wenn der hier so schnell sein kann, kann ich das auch“… nein, es gilt nicht die alte Regel „do as the locals do“! Manche Touristen aber wollen fern der Heimat den verhinderten Rallyepiloten in sich heraushängen lassen und/oder glauben, ein 4×4-Fahrzeug kann die physikalischen Gesetze außer Kraft setzen. Schotterstrecken sind tückisch, tote Touristen sind die Folge.

Schließlich gelangen wir nahe IIKaras auf die B4, eine Asphaltstraße, damit fast schon eine Autobahn. Biegen nach Westen in Richtung Küste ab, nunmehr folgen ein paar ruhige Stunden, bis wir Aus, und kurz danach bzw. daneben Klein-Aus erreichen; einen Sightseeing-Punkt zur deutschen Schutztruppe kurz davor lassen wir auch aus.

Die zehn Stellplätze der „Desert Horse Campsite“ liegen ein wenig näher beieinander als bisher, dafür sind sie mit Holzzäunen voneinander abgegrenzt und -getrennt. Auf einigen stehen kleine Trailer-Siedlungen – weiße Südafrikaner, immerhin häufig Nachfahren von Holländern, lieben Offroad-Wohnwagen, die so gar nichts mit den bevorzugten Modellen ihrer europäischen Vorfahren zu tun haben.

Wir brechen zu einer Wanderung auf, der Weg ist einigermaßen klar ausgeschildert und führt uns durch eine Fels-Landschaft. Von oben kann man auf eine riesige Skulptur in Form einer Pferde-Silhouette hinabblicken – ein Kunst-Projekt, das an die letzten wilden bzw. verwilderten Pferde (-> namibische Wildpferde) im benachbarten Garub erinnern soll. Deren Bestand ist durch Räuber wie die Hyänen zuletzt deutlich dezimiert worden – die seit Jahren andauernde Dürre bedeutet weniger Wasser und weniger Wasser-Stellen, zu denen die Pferde müssen.  Das haben die Hyänen natürlich auch in Erfahrung gebracht.

Auf der Wanderung kommen wir an der Geisterschlucht Cabin vorbei; dort hausen angeblich Gespenster, die auf von der Polizei getötete Diamantendiebe zurückgehen sollen – deren zerschossenen Hudson-Wagen kann man jedenfalls am Eingang zur Schlucht betrachten. Ob unser tougher Landy-Schrauber in Deutschland angesichts dieses automobilen Wracks wohl sagen würde: „Der wird wieder…“?

Garub ist eine Geisterstadt und auch eine seit langem verwaiste Eisenbahnstation, in der Ferne sind man vor allem nichts, und dann und wann… ein Pferd. Wir streben gen Lüderitz, folglich nehmen die Felsen nach und nach ab und Sanddünen wachsen mehr und mehr. So gelangen wir nach Kolmannskuppe – einer weiteren Geisterstadt, die aber zu besichtigen ist. Das wird sie von vielen Touristen, und so meiden wir die Führung, in denen ein Guide routiniert seine Standard-Sprüche  u.a. in deutsch abspult. Verzicht auf Touri-Trampeleien und anti-zyklische Bewegung (wir fangen mit unserem individuellen Rundgang quasi hinten an) bedeutet einen Mehr-Gewinn an Zeit bei den Gebäuden, die sich der Sand zurückerobert.  

Von Kolmannskuppe sind es nur wenige Kilometer nach Lüderitz, einer 1883 gegründeten Stadt, die nach einem abgefeimten deutschen Kaufmann benannt ist, der auf hinterhältige Art und Weise einem örtlichen Orlam-Anführer fast dessen gesamtes Stammesland abgeluchst hatte. Etwa 12.500 Menschen leben heute dort, und ein Rundgang führt einen an vielen bunten Häusern entlang, die teilweise deutsche Aufschriften tragen (siehe Bilder). Kirchen hat es sowieso einige.

Vor allem aber gibt es nahe des Hafens von Lüderitz – als solcher entstand der Ort ursprünglich – eine Landzunge namens Shark Island, die in Zeiten der deutschen Inbesitznahme als Konzentrationslager diente. Uns bleibt die Halbinsel vor allem wegen der dortigen Übernachtung in Erinnerung – Shark Island ist für seine stürmischen Winde bekannt, aber dass es uns beinahe buchstäblich des Zelt vom Dach wehen würde, hatten wir nicht erwartet. Auch nicht, dass es bereits zusammenklappte, als Beate sich zum Ausbreiten der Decken drin befand!

Dabei war die Leiter zum Dachzelt mit einem großen Felsstein beschwert und stand unser Hilux schon windgeschützt hinter einem großen Felsen geparkt – aber dennoch entschieden wir uns, das Zelt zusammen zu legen und festzuzurren, um auf Fahrer- und Beifahrersitz zu schlafen. Die Nacht war laut und kurz.