Kein Durchkommen am Cirque de Jaafar

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Der Cirque de Jaafar ist eine enge Schlucht, nicht weit von Midelt, und eine Art Klassiker Marokkos. Hoch ragen die Felswände auf, eine Winnetou-Kulisse par excellence. Im vergangenen Jahr hatten wir sie unter Mühen in stundenlanger Arbeit passieren können – wir mussten einen Fels per Winde aus dem Weg ziehen (siehe: Nichts ist unmöglich…). In diesem Jahr machte die massiven Veränderungen, die Wind und Wetter des zurückliegenden Winters mit sich gebracht hatten, eine Durchfahrt nahezu unmöglich.

Zumindest galt das für die kleineren Fahrzeuge unserer Gruppe – also der Iveco und der 4×4 Mercedes Sprinter –, für zwei der Unimogs wäre es ohne Aufsetzen und Anschrammen kaum möglich gewesen, für den IFA von Reiseleiter André, den Steyr und unseren Unimog (kurzer Radstand, günstige Rampen- und Böschungswinkel) vielleicht. Mit Glück, und nicht ohne stundenlange Buddelei und Hackerei, um ein paar völlig mit Felsen und hohen Abbruchkanten versehene Passagen überhaupt anfahren zu können.

In die Ferne reisen oder Rallye fahren?

André und Holger, unsere Tourguides von eineweltreisen.org, diskutierten hin und her, überlegten mögliche Varianten, aber schließlich traten wir den Rückzug an und kehrten zu unseren am Eingang der Schlucht geparkten Fahrzeugen zurück. Bei Durchfahrten wie dieser sollte der Blick nicht nur nach unten auf den Boden gehen, sondern es gilt auch zu bedenken, dass die Offroad-Lkws mit ihren Wohnkabinen durch Schwanken und Schlingern an Felswänden und Überhängen anschlagen können – und eine Fernreise ist keine Rallye. Es gilt heil und unversehrt am Ziel anzukommen, und nicht um jeden Preis.

Schließlich geht es beim Fernreiseseminar darum, dass die Teilnehmer später einmal alleine durch die Welt touren werden. D.h., sie müssen auch lernen, ihre Möglichkeiten abzuwägen und Risiken einschätzen zu können. Was wiederum so manches mal die Konsequenz nach sich zieht, eine bestimmte Route nicht fahren zu können oder einen Umweg zu wählen.

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Vor dem Cirque de Jaafar umzukehren, bedeutete freilich auch, eine sehr spannende Geröll-Bergabfahrt nicht mehr unter die grobstolligen Räder nehmen zu können (man kommt im kleinen Geländegang ganz gut runter, aber wegen des steilen Anstiegs nicht wieder hoch)  und vor allem, einen sehr schönen Übernachtungsplatz am anderen Ende der Schlucht nicht einnehmen zu können.

Um unsere Tour in Richtung Süden fortsetzen zu können, mussten wir also zurückfahren. Der Weg bot dabei durchaus noch einige kniffelige Stellen, Flussdurchfahrten, Engpässe, entlang Balancieren an Abbruchkanten sowie Schlaglöcher und Schotterpisten zuhauf. Mittlerweile sammeln sich in der Ablage vor dem Beifahrersitz einige Schrauben, Muttern und Unterlegscheiben, von denen wir nicht so recht wissen, wann sie sich wo losvibriert haben.

Ressourcenarmes Reisen und Leben

Außenhaut wie Innenräume unseres Unimogs sind mittlerweile mit einer dicken grauen Staubschicht bedeckt. Wir selbst haben uns seit Tagen kaum mehr als feucht abgewaschen, morgen wird es möglicherweise die erste Dusche seit langem geben. (Und, nein, das fühlt sich gar nicht schlecht an. Auch nicht stinkend.)

Wir entdecken einmal mehr bei dieser Art des Reisen und Lebens, mit wie wenig Ressourcen – an Wasser und Strom vor allem, auch an Kleidung – man eigentlich auskommen kann. Und wieviel Ressourcen die Dinge, die das moderne städtische Leben mit sich bringt (wie jede Menge digitale Kleingeräte), ver(sch)wenden.

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(Es soll nicht verschwiegen werden, dass es moderne Allradfahrzeuge gibt, die versuchen, das Reisen in die Ferne und den Wohnkomfort der heimischen Bewohnung mit entsprechendem energetischen und konstruktiven Aufwand unter einen Hut zu bringen. Inklusive der Möglichkeit, seine Stoffwechsel-Restprodukte auf Knopfdruck hinten ablassen zu können. Das ist definitiv nicht unser Stil.)

Ein Sonnenuntergang in Postkartenformat in zweieinhalbtausend Meter Höhe bei einem Lagerfeuer auf der Basis ganzer Baumstämme und ein Wind der ums Reisemobil pfeift, entschädigen uns dann von der Enttäuschung, den Cirque de Jaafar in diesem Jahr nicht bewältigt zu haben.