Der Frosch auf dem Totenkopf

Salamanca! Eine Stadt mit einer besonderen Bedeutung – sie verfügt über eine bekannte Universität, und diese war relativ früh relativ fortschrittlich:

Sie wurde im Jahr 1218 gegründet. Schon im 16. Jahrhundert, als hier in der sogenannten Schule von Salamanca der Grundstein für die neuzeitliche humanistische Naturrechtslehre gelegt wurde, zählte sie 8000 Studenten. Die Universidad de Salamanca wurde zu einer der wichtigsten Bildungsstätten Europas. Unter den bekanntesten Dozenten befinden sich Fray Luis de León und Miguel de Unamuno. Lope de Vega, Calderón de la Barca und Miguel de Cervantes holten sich in Salamanca das geistige Rüstzeug für ihre dichterische Arbeit.

So lautet es im Wikipedia-Eintrag zu der kastilischen Stadt. Mein Quasi-Stiefvater, Lebensgefährte meiner Mutter, nachdem mein Vater im Alter von 45 Jahren gestorben war, gebürtiger Spanier und früher Mentor, hatte mir von dieser Universität bei einer Campingtour durch Spanien (bei der ich 16 Jahre alt war) erzählt: als einem Ort der Geistesschulung und des freien, offenen Denkens. Mein Weg zur Geisteswissenschaft begann in jenem Moment.

Nachstehend Bilder der Kathedrale (Klick aufs Bild für große Version):

Eine Universität, die von Tradition trieft. El Gran Teatro del Mundo (Das große Welttheater) von Calderon de la Barca las ich später in deutscher Übersetzung – gelbes Reclam-Büchlein; Ältere erinnern sich. Die üblichen Versatzstücke des Don Quijote von Cervantes kenne ich selbstverständlich. Die ganze Geschichte des scheinbar verrückten Mannes aus der Mancha war immer ein Reiz – vor allem im Original.

Ob ich damals in Salamanca vorbeikam oder ob ich mir die diskutierenden Studenten in den Kreuzgängen, schwere Bücher unter den Armen und schwere Gedanken im Kopf, nur vorstellte, weiß ich nicht mehr. Aber als wir mit dem Grünimog, von Portugals Süden kommend, 40 Jahrzehnte später dort vorbeikamen, schoss mir die Imagination (oder Illusion?) in den Kopf.

Murakami Haruki kontra Miguel de Cervantes

Auch wenn ich in den späten 1980er Jahren dann doch nicht Romanistik studieren sollte, sondern  Japanologie – immerhin eine Geistes-/Kultur-/Geschichts-/Sprach-/Literaturwissenschaft. Freilich: Hätte ich die mühseligen Stunden des Lernens von Grammatik, Vokabeln und Schriftzeichen sowie des noch mühevolleren Übersetzens (überwiegend kreuzlangweiliger) japanischer Literatur in die Hispanistik investiert, so spräche ich die spanische Sprache wohl fließend und läse Cervantes, Calderon de la Barca, Unamuno und all die spanischen bzw. lateinamerikanischen Schriftsteller im Original.

Mit einem Großen Latinum als Grundlage liegt einem das spanische Idiom zu Füßen. Japans Sprache und Schrift habe ich nahezu vollständig vergessen. Murakami Haruki ist der einzige japanische Autor, der mich je begeistert hat.

Professor mit Hund und Frosch

Wir verbrachten wir den Ankunftsnachmittag und –abend sowie den folgenden Vormittag rund um die alte (12. Jh.) und die neue (16. Jh.) Kathedrale, die alten Universitätsbauten und die beeindruckende Plaza Mayor, die als einer der schönsten in ganz Spanien gilt. Wir übernachteten nahe eines Sportplatzes unterhalb des historischen Stadtviertels am Fluss.

Ein älterer Mann sprach uns an, Mütze auf dem Kopf und Hund an der Leine. Der Universitätseingang sei um die Ecke, und wir sollten den Frosch suchen, sprach er in englisch, mit deutschen Brocken durchsetzt – Überreste seiner Zeit als Professor an der Universität Heidelberg.

Ein Frosch auf einem Totenkopf ist in der reichverzierten Fassade des Haupteingangs der Universität zu finden – eine frühe Mahnung an die Studenten, dass der Tod unausweichlich ist und man sein Leben nicht mit oberflächlichen Vergnügen vergeuden solle. Carpe diem!